Automatisierung

Der künstliche Barkeeper

20.10.2023 - Grundlagen von Gastronomierobotern und Beispiele für Barroboter

Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich mit der Frage, wie Barroboter zum Wohlbefinden der Gäste beitragen können.

Im ersten von drei Teilen erarbeitet er Grundlagen zu Servicerobotern und sozialen Robotern und gibt eine knappe Marktübersicht über Gastronomieroboter und speziell Barroboter. Der zweite Teil des Artikels, der in der Ausgabe 09/23 erscheint, beschreibt zwei Modelle von Barrobotern in ihrem Einsatz in der Schweiz. Ein Forschungsprojekt an der Hochschule für Wirtschaft FHNW, zu dem eine Abschlussarbeit gehörte, sammelte zu ihnen empirische Daten, die für den vorliegenden Beitrag genutzt werden. Im dritten Teil und damit in Ausgabe 10/23 erörtern die Autoren, wie die Roboter verbessert werden könnten, um das Wohlbefinden der ­Kunden und Gäste zu erhöhen und besser auf ihre individuellen Wünsche und Anforderungen einzugehen. Dabei kann künstliche Intelligenz eine wichtige Rolle spielen. Zudem werden ethische und soziale Probleme beim Einsatz von ­Barrobotern diskutiert und mögliche Lösungen angedeutet.

In Cafés, Restaurants, Shopping Malls und an Flughäfen verbreiten sich immer mehr einschlägige Serviceroboter (Bendel 2020). Bar­roboter  befinden sich hinter dem Tresen und bereiten Kaffee oder Cocktails zu. Transport- und Servierroboter helfen beim Befüllen und Abräumen von Buffets und beim Bedienen von Gästen – die ersten Prototypen entstanden bereits in den 1990er-Jahren (Maxwell et al. 1999). Dazu gesellen sich weitere Maschinen mit spezifischen Aufgaben, etwa in der Sicherheit und der Reinigung.

Gastronomische Betriebe bieten Mahlzeiten und Getränke in einem passenden Rahmen an, meist in öffentlich zugänglichen Räumen mit Tischen und Stühlen und angenehmer Musik. Die Gäste widmen sich der Befriedigung menschlicher Grundbedürfnisse, eben dem Stillen von Hunger und Durst. Ebenso wichtig ist vielen aber auch, in geselliger Runde zu sein und Leute kennenzulernen. Die Häuser und Räume sind Anziehungspunkte, bieten Sicherheit, Gemütlichkeit und Unterhaltung. Das gemeinsame Essen und Trinken ermöglicht und stärkt soziale Beziehungen. Der Barkeeper oder die Bedienung spielt dabei entweder die Rolle eines Gesprächspartners, wenn keine, kaum oder nicht die gewünschten Kunden vor Ort sind. Oder er respektive sie vermittelt in den vielgestaltigen Beziehungen. Die Ersetzung oder Unterstützung eines Barkeepers hat daher Einfluss auf das soziale Gefüge. Gastronomische Einrichtungen können auch Teil von Shopping Malls, Bahnhöfen und Flughäfen sein.


Industrieroboter, Serviceroboter und soziale Roboter

Eine sehr grobe Einteilung von Robotern ist die in Industrieroboter und Serviceroboter. Klassische Industrieroboter sind in geschützten Bereichen der Fabrik tätig, vor allem in der Produktion. Cobots arbeiten mit Menschen Hand in Hand. Serviceroboter übernehmen Dienste und leisten Hilfe. Beispiele sind Transportroboter, Sicherheitsroboter und Reinigungsroboter. Manche Serviceroboter sind im Grunde umfunktionierte Industrieroboter. Beispielsweise nimmt man einen Cobot und setzt ihn auf einer stationären oder mobilen Plattform für Dienstleistungen ein.

Soziale Roboter sind sensomotorische Maschinen, die für die Interaktion mit Menschen oder Tieren, insbesondere mit höher entwickelten Arten, geschaffen wurden 
(Bendel 2021). Sie können über fünf Dimensionen bestimmt werden: Interaktion mit Lebewesen, Kommunikation mit Lebewesen, Abbildung von (Aspekten oder Merkmalen von) Lebewesen (zum Beispiel animaloides oder humanoides Design oder natürlichsprachliche Fähigkeiten), Nähe zu Lebewesen und grundsätzlich Nutzen für Lebewesen.
Einige soziale Roboter sind Serviceroboter, das heißt sie übernehmen bestimmte Dienstleistungen und leisten bestimmte Hilfestellungen, und umgekehrt sind manche Serviceroboter auch soziale Roboter, insofern sie Kommunikations- und Interaktionsfunktionen besitzen. Typische Beispiele in dieser Schnittmenge sind Pflege- und Therapieroboter. Ein Pflegeroboter wie Lio ist ein Serviceroboter, der dadurch entstanden ist, dass ein Cobot, also ein Industrieroboter, auf eine mobile Plattform gesetzt und mit bestimmten Fähigkeiten ausgestattet wurde. Dazu gehören auch soziale Funktionen, sodass der Roboter als sozialer Roboter bezeichnet werden kann.

Genau diese Unterscheidungen sind wesentlich für Gastronomieroboter. Diese kann man zu den Servicerobotern zählen. Einige sind soziale Roboter oder haben zumindest soziale Merkmale. Das ist in Cafés und Restaurants, wo man gesellig ist und sich sicher und wohl fühlen soll, von Bedeutung. Die Roboter sollen keine Fremdkörper sein und sich den Menschen in adäquater Weise zuwenden, mit ihnen sprechen und rücksichtsvoll sein. Einige Roboter sind auch Industrieroboter, die für den Servicebereich adaptiert wurden. So sind insbesondere Barroboter meist Cobots mit einem Arm oder zwei Armen.


Roboter in der Gastronomie

Die Gastronomie ist ein komplexer Bereich mit unterschiedlichen Aufgaben und Anforderungen. In einer Einrichtung gibt es oft eine Küche, eine Bar mit einer Theke und Barhockern und ein Areal auf einer Ebene oder auf mehreren Ebenen mit Tischen und Stühlen. Büro, Mitarbeiterraum und Empfangsbereich stehen dem Personal zur Verfügung beziehungsweise dienen dem Erstkontakt mit dem Kunden. Entsprechend treten ganz unterschiedliche Roboter auf (Garcia-Haro et al. 2021).

Zunächst einmal sind die Barroboter zu nennen (Peier 2022). Es handelt sich meistens um Cobots, die spezielle Aufgaben und Fähigkeiten haben, die sie zu Servicerobotern machen. Sie sind in einem Kiosk (einer Art Glaskäfig) – im Folgenden auch als Kapselung bezeichnet – oder hinter der Theke untergebracht. Sie bereiten Kaffee zu, als sogenannte Baristaroboter (Bendel 2022a; Lemm 2021), oder Cocktails, als sogenannte Cocktailroboter. Auch andere Getränke wie Saftmischungen sind möglich. Sie machen dies entweder vollständig alleine oder benötigen Hilfe bei einzelnen Schritten, etwa dem Verzieren der Cocktails.
Weiterhin gibt es Transport- und Servierroboter. Sie unterstützen das Personal, indem sie zwischen Buffet und Küche hin und her fahren, beladen mit leeren und vollen Tellern und Gefäßen (Bendel 2020). Oder sie bedienen Gäste und helfen den Bedienungen beim Hinbringen von Speisen und Getränken und Abräumen von Geschirr von den Tischen (Maxwell et al. 1999; Seyitoğlu and Ivanov 2020). Beispiele sind BellaBot von Pudu Robotics 
(www.pudurobotics.com), mit Katzengesicht auf dem Display und Katzenohren aus Plastik, Plato von der United Robotics Group (cobiotx.unitedrobotics.group), optional mit Kellnerfliege unter dem Display, und Lucki von OrionStar (en.orionstar.com). Zudem existieren humanoide Modelle. Lieferroboter sind in diesem Kontext eine Besonderheit – sie verlassen den Betrieb, um ferngesteuert oder autonom Kunden in der Gegend oder in anderen Stadtteilen aufzusuchen.

Roboter finden sich auch in der Küche. Sie helfen bei der Zubereitung von Speisen oder fertigen automatisch Teige, Soßen und Suppen an (Zoran 2019). Maschinen wie Küchenmaschinen oder Steamer sind natürlich seit langem in der Küche präsent, Roboter dagegen erst seit kurzem. Hier dominieren wiederum Roboterarme, wie man sie aus der Industrie kennt. Cobots und Küchenpersonal können auf engem Raum Hand in Hand sicher zusammenarbeiten und ihre jeweiligen Stärken ausspielen.

Nicht zuletzt empfangen Roboter die Gäste in den Einrichtungen. Dies kennt man im Moment vor allem aus Hotels, wo humanoide, animaloide oder andere Modelle das Personal an der Rezeption ersetzen oder ergänzen, sogar solche, die Dinosauriern ähneln 
(Waxmann 2015). 


Welche Barroboter gibt es? 

Im Folgenden wird eine Übersicht über Barroboter gegeben. Sie basiert im Wesentlichen auf einer Literaturrecherche sowie Expertengesprächen, die im Rahmen der Abschlussarbeit stattfanden (Peier 2022). Sie ist nicht vollständig und soll in erster Linie den weltweiten Einsatz und unterschiedliche Umsetzungsformen verdeutlichen. Voranzustellen ist, dass die meisten Firmen die verwendeten Arme nicht selbst herstellen, sondern zum Beispiel von Unternehmen wie Kuka einkaufen und in ihr System integrieren. Eine Ausnahme ist F&P Robotics.

  1. Makr Shakr ist ein Robotikunternehmen aus Turin in Italien (www.makrshakr.com). Zu den Produkten gehören Toni und Toni Compatto. Toni ist ein zweiarmiger Roboter, der auf 158 verschiedene Flaschen zugreift, die an der Decke der offenen Bar hängen, und der die Flüssigkeiten schüttelt und rührt. Toni Compatto ist eine kleinere Version. Er ist mit einem Arm ausgestattet und benötigt nur die Hälfte des Platzes.
     
  2. MyAppCafé ist ein Unternehmen aus Marxzell in Deutschland, zu dessen Produktepalette das MyAppCafé gehört (my-app-cafe.com). Es handelt sich dabei um eine Kaffeestation im Kiosk, die durch einen Roboter betrieben wird. Die Bar ist ausgestattet mit einem Robot Barista, zwei Kaffeevollautomaten, einer Eiswürfelmaschine, zwei Sirupstationen und einem Schaumdrucker.
     
  3. Crown Digital ist ein Unternehmen aus Singapur (www.crowndigital.io). Zu seinen Produkten zählt Ella, ein Baristaroboter (Salim 2021). Der Roboterarm befindet sich in einem Kiosk mit Glaswänden. Ella bereitet Kaffee zu, der von den Gästen entweder über die App oder am Kiosk direkt über das Display bestellt wird.
     
  4. Rossum Cafe ist ein Unternehmen aus der Slowakei (rossumcafe.com). Sein Baristaroboter ist eine gekapselte Bar. Die Bestellung erfolgt entweder über das Rossum-Cafe-Gerät oder die App. Bestellt werden können verschiedene Kaffeesorten und unterschiedliche Teesorten.
     
  5. Cafe X sind Kioske aus San Francisco in den USA mit einem Roboterarm (cafexapp.com). Serviert werden heiße und kalte Getränke, hauptsächlich aber Kaffeespezialitäten von lokalen Röstern in möglichst kurzer Zeit. Der Barroboter kann auf Kaffeeautomaten und Zapfhähne zugreifen.
     
  6. Swiss Smyze aus Zürich in der Schweiz (smyze.com) ist der Anbieter von Robobarista. Dieser besteht aus einem Roboterarm und der Schank-, Eis- und Kaffeemaschine. Alle Komponenten sind in einem zwei Meter hohen Kiosk mit Glaswänden untergebracht.
     
  7. F&P Robotics aus Glattbrugg bei Zürich in der Schweiz verwendet den P-Rob, seinen Roboterarm, nicht nur für Lio, sondern auch für Barney (www.fp-robotics.com). Barney kann als Cocktail- oder Baristaroboter fungieren (Barney Bar und Barney Barista). Er ist frei hinter dem Tresen tätig. Das Finishing von Cocktails muss von Menschen übernommen werden.
     
  8. FoodTemi ist ein Konzept von Wissenschaftlern aus Taiwan, das sich von den anderen Beispielen abhebt. „The overall system integrates the Dobot arm, a linear motion robot, and Temi mobile robot. By ordering the drinks via the panel on robots, the Dobot arm and linear motion robot will prepare the beverage. When the meal is ready, FoodTemi will automatically fetch and deliver the meal to the customer.“ (Hung et al. 2021)

Wie deutlich wurde, beherrschen die Barroboter Kaffee- oder Cocktailzubereitung. Sie können manche Vorgänge und Schritte autonom ausführen. Bei anderen benötigen sie menschliche Hilfe. Dies bedeutet auch, dass sie nicht in allen Fällen den Barkeeper verdrängen, sondern ihm zur Seite stehen und gemeinsam mit ihm Aufgaben erledigen.

Bedient werden der Zeitgeist und ein Lifestyle-Feeling, etwa mit dem Angebot lokaler und nachhaltiger Röstereien. Wichtig ist auch der Showeffekt – die Komponenten sind frei hinter dem Tresen oder deutlich hinter den Glaswänden erkennbar. Manche Firmen wie Makr Shakr und Cafe X werben mit der Geschwindigkeit ihrer Roboter. Einarmige Roboter herrschen vor. Es sind aber auch zweiarmige vorhanden, wie es sie wiederum in der Industrie (man denke an den Yumi von ABB) gibt. Sie können bestimmte Aufgaben besser beziehungsweise anders lösen – so können sie mit dem einen Greifer etwas festhalten und mit dem anderen etwas manipulieren. Diese Modelle wirken mehr als die einarmigen wie Lebewesen respektive wie Menschen und wecken damit gewisse Erwartungen.

Autoren
Oliver Bendel und Lea Kristin Peier 
Oliver Bendel lehrt und forscht seit 2009 an der Fachhochschule Nordwestschweiz.

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