Bildverarbeitung

Qualitätsüberwachung von Folien durch BV-Systeme

30.11.2011 -

Wer versucht, auf der Autobahn bei 130 km/h einzelne Steine oder Fehler der Asphaltoberfläche zu erkennen, wird unweigerlich einsehen, dass diese Aufgabe für einen Menschen unmöglich zu bewältigen ist. Aber genau vor dieser Herausforderung stehen heute die Produzenten von Kunststofffolien, wenn sie die Qualität ihrer Produkte objektiv bewerten wollen. Bei der Herstellung von Kunststofffolien im Extrusionsprozess treten unterschiedliche sporadische Fehler auf, die zu Ausschuss oder späteren Reklamationen führen können (Abb. 1). Allerdings variiert die Ausschussschwelle mit der Art und Ausprägung der Fehler. Bei Produktionsgeschwindigkeiten von einigen hundert Metern in der Minute und Fehlergrößen von Bruchteilen eines Millimeters sind die Rahmenbedingungen mit der Aufgabe auf der Autobahn sehr gut vergleichbar. Diese Herausforderung wird heute jedoch durch den Einsatz digitaler BV-Systeme lösbar.

Rasante Weiterentwicklung

In den letzten Jahren wurden die Rechenleistung von Standard-PCs und die Bandbreite der Datenbusse um ein Vielfaches gesteigert. Die so gewonnenen Leistungsreserven wurden nicht nur dazu genutzt, BV-Systeme schneller zu machen, sondern auch dazu, deren Zuverlässigkeit zu steigern. Moderne Systeme erkennen Fehlstellen nicht mehr anhand von absoluten Schwellwerten, sondern anhand von schnellen relativen Veränderungen im aufgenommenen Bild. Dadurch wird die Störanfälligkeit des Systems deutlich geringer, allerdings muss der Anwender weiterhin eine Empfindlichkeit vorgeben. Die Anzahl der detektierten Fehler hängt nach wie vor von diesem einen Parameter ab, der je nach geforderter Produktqualität eher eng oder tolerant gesetzt werden kann. Der Folienhersteller muss dabei immer einen Kompromiss zwischen der Erkennungsrate und der Fehlerrate eingehen – eine 100%ige Inspektion ohne Fehlalarme ist bis heute nicht möglich.

Den Fehler im Visier

Ein erfolgreiches Prüfsystem muss neben der schnellen und hoch auflösenden Detektion von Fehlstellen zusätzlich auch eine Beschreibung und Bewertung der einzelnen Fehler ermöglichen. Fehlstellen werden heute daher von den Inspektionssystemen nicht nur detektiert, sondern auch mittels Klassifikation automatisch bewertet. Dazu werden für jeden Fehler unterschiedliche Merkmale wie Größe, Form und Kontrast berechnet und anschließend durch einen Klassifikator auf die einzelnen Fehlerklassen abgebildet. Je nach Wahl der Merkmale können dabei nicht nur Stippen und Löcher unterschieden, sondern auch komplexe Fehler, wie bspw. eingeschlossene Insekten, zuverlässig erkannt werden. Allerdings steigt mit diesen Fähigkeiten auch die Komplexität der Systeme.

In der Einrichtungsphase muss nicht nur der Fehlerschwellwert definiert werden, sondern auch die einzelnen Fehlerklassen und Regeln, die dem System eine zuverlässige Klassifikation der Fehlstellen erlauben. Diese Arbeiten erfordern sehr viel Erfahrung mit der Konfiguration von BV-Systemen, die bei vielen Folienherstellern noch nicht im nötigen Umfang vorhanden ist. Daher unterstützen aktuelle Entwicklungen den Anwender bei der Definition dieser Regeln durch eine „Easy-Teach“ Funktion. Dabei werden dem System Fehlerklassen anhand von Beispielen beigebracht, die nötigen Klassifikationsregeln formuliert es dann selbst (Abb. 3).

Lückenlose Dokumentation und mehr

Die Vorteile der Folieninspektion mittels digitaler BV liegen also vor allem in der lückenlosen Dokumentation der Folienqualität. Treten Fehler gehäuft auf, so kann unmittelbar reagiert und nach Behebung der Störung ein neuer Wickel angefangen werden – dadurch lassen sich Fehlauslieferungen und Reklamationen vermeiden. Weiterhin bieten die aktuellen Inspektionssysteme durch ihre Fehlerklassifikation die Möglichkeit, den eigenen Produktionsprozess zu analysieren und zu optimieren.

Für die Zukunft zeichnen sich drei zentrale Entwicklungen ab. Zunächst werden die Systeme mit stetig wachsenden Leistungsreserven der Hardwarekomponenten immer schneller, so dass auch immer schnellere Prozesse überwacht werden können (Abb. 4). Parallel dazu läuft auch der Wunsch nach immer höheren Auflösungen der Systeme, um z. B. den hohen Qualitätsansprüchen im Bereich der Mikrotechnologie gerecht werden zu können. Weiterhin sollen die Systeme in Zukunft einfacher in ihrer Konfiguration und Anwendung werden.

Je mehr Erfahrungen durch den Einsatz der Systeme gewonnen und dokumentiert werden, desto mehr Wissen kann in die Systeme integriert werden. Dadurch werden sie in die Lage versetzt, den Anwender bei Einrichtung und Anwendung immer besser zu unterstützen. Die Einrichtung wird also einerseits einfacher, aber auch die Qualitätsdokumentation objektiver. Die dritte Entwicklung ist die Erweiterung der Funktionalität und Erschließung neuer Einsatzgebiete. So können heute bspw. Oberflächen mit komplexen Mustern wie Ledernarbungen oder Holzmaserungen noch nicht inspiziert werden. Hierzu werden derzeit neue Algorithmen entwickelt und getestet. Neben der reinen Algorithmik werden in Zukunft aber auch neue Entwicklungen im Bereich der Optik erwartet, da einige Fehler, wie z. B. Gelkörper, Schichtgrenzeffekte bei der Co-Extrusion und lückenhafter Kleberauftrag beim Kaschieren aufgrund eines zu geringen Kontrastes bei der klassischen Bildaufnahme nicht detektiert werden können.

Fazit

Die digitale BV ist heute schon ein unverzichtbares Werkzeug der Qualitätssicherung. Darüber hinaus verfügt sie auch für die Zukunft über ein erhebliches Entwicklungspotential, das Anlass zu der Hoffnung gibt, dass Aufgaben, die heute noch unlösbar erscheinen, irgendwann vielleicht doch einmal mit ihrer Hilfe gelöst werden können.

Kontakt: Dipl.-Ing. Andreas Tondorf RWTH Aachen, Aachen Tel.: 0241/8027277 andreas.tondorf@rwth-aachen.de www.rwth-aachen.de

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