Bildverarbeitung

Eine heiße Sache

Walzprozessoptimierung durch Heißprofilvermessung

19.05.2015 -

Bei der Umrüstung einer Walzstraße auf ein neues Profil müssen die Walzgerüste optimal eingestellt werden. Meist geschieht dies in einem zeitraubenden und ressourcenintensiven Prozess. Erstmals ist es jetzt möglich, mit einem Laser-Messverfahren die heißen Profile direkt zwischen den Stichen zu vermessen. Dies beschleunigt und erleichtert den Umrüstungsvorgang erheblich.

Selbst in modernen Walzwerken mit einem hohen Automatisierungsgrad werden Form und Dimension eines Walzprodukts oft noch mit einfachen und auch zeitaufwendigen Methoden bestimmt. In vielen Fällen ist es nach wie vor Stand der Technik, Proben zu schneiden und am Profilprojektor zu vergleichen. In vielen Walzwerken wird die Kaliberfüllung auch kontrolliert, indem der Abbrand eines Holzbrettes, welches an das glühende Produkt gehalten wird, beobachtet wird. Andererseits kommen große Profilmessanlagen zum Einsatz, die genau und schnell arbeiten, aber teuer und wenig flexibel sind, besonders was den Transport zu verschiedenen Messstellen betrifft.
Der Bedarf für ein schnelles und einfaches Werkzeug, das diese Technologielücke schließt, wurde daher vom Walzwerksbetreiber Mannstaedt GmbH an den Messsystementwickler Nextsense herangetragen und führte 2014 zur Entwicklung des neuen Produkts Calipri Hot. Mannstaedt produziert auf seinen beiden Warmwalzstraßen Spezialprofile aus Stahl für unterschiedlichste industrielle Anwendungen. Im Vergleich zu Walzwerken für Massenstahl sind hier geringe Losgrößen üblich, was zu häufigem Umrüsten führt.
Bei der Umstellung auf ein anderes Produkt mussten bisher zur Überprüfung der Produktqualität nach einzelnen Umformstichen Proben von der Walzader abgebrannt werden. Die proben müssen anschließend zeitaufwendig abgekühlt, gesägt, entgratet und dann mit einem Handmessmittel und/oder Profilprojektor begutachtet werden (Abb. 1).
Durch den Einsatz des Calipri Hot könnte zukünftig der praktische und zeitliche Aufwand für das Abtrennen, das Abschrecken und mechanische Vorbereitung der Proben entfallen. Denn das Messgerät wird direkt über die zu vermessende Position der Walzader gestülpt und kann mit Hilfe der Lasermesstechnik sofort einen kompletten Profilschnitt an jeder beliebigen Stelle der Walzader liefern. Dieser ließe sich danach sofort mit der Sollkontur vergleichen, um den Walzspalt entsprechend zu korrigieren.
Durch die Zeiteinsparung bei der Bewertung der Maßhaltigkeit können die Walzmeister sowohl bei der Umstellung der Produktion auf ein neues Produkt, als auch bei der produktionsbegleitenden Qualitätsüberwachung schneller Korrekturmaßnahmen an den Walzeinrichtungen einleiten. Würde das Messsystem für die Konturprüfung der Endkontur am Kühlbett eingesetzt, könnten zudem Konturabweichungen früher erkannt und dadurch Sperrmengen reduziert werden.
Das Lasersystem kann aber nicht nur zu einer Reduzierung der Probierzeiten beitragen, sondern liefert auch mehr Kenntnis über den aktuellen Walzprozess, womit es dessen Optimierung unterstützen kann. Würden alle Vorstiche der gesamten Kalibrierung untersucht, könnte das System auch als Entwicklungstool genutzt werden.

Das Messverfahren
Calipri basiert auf dem Laserlichtschnittverfahren [1] [2]. , Dabei wird eine Laserlinie auf das zu vermessende Profil projiziert, die von einer Kamera unter einem Triangulationswinkel a aufgenommen wird. Die Form des Messobjekts kann dann mit photogrammetrischen Methoden aus der Abbildung der Laserlinie rekonstruiert werden. Die Anwendung dieses Verfahrens in einem kleinen freihandgeführten Messsystem wirft jedoch zwei Probleme auf, die gelöst werden müssen:
1) Eine ungenaue Positionierung des Sensors, insbesondere wenn die Laserebene nicht exakt rechtwinkelig zum zu vermessenden Querschnitt steht, führt zu Fehlern der Größenordnung 1 - 1/cos (a), was bei einem Winkel von 5° einem Fehler von 0,4 % und bei einem Winkel von 10° einem Fehler von 1,5 % entspricht.
2) Es ist nicht möglich, einen kompletten rundum-Querschnitt mit nur einem Laser und einer Kamera aufzunehmen. Die Verwendung von mindestens zwei Kameras und zwei Lasern in einer fixen geometrischen Anordnung zueinander führt jedoch rasch zu Konstruktionen, die deren Einsatz als mobiles Messgerät nicht mehr erlauben.
Das Lasermesssystem löst das Problem (1), indem es mehrere Laserlinien verwendet. Eine Änderung der Orientierung des Sensors führt zu einer relativen Verschiebung der Laserlinien in den Kamerabildern. Während eine Verkippung um den Winkel ß eine vertikale Verschiebung bewirkt, resultiert eine Änderung um den Winkel γ in einer horizontalen Verschiebung der Laserlinien (Abb. 2). Die Messung dieser Verschiebungen ermöglicht die Berechnung der Kippwinkel und in der Folge die mathematische Korrektur der Messung.
Das Problem (2) wird gelöst, indem das Messobjekt zunächst dynamisch von allen Seiten gescannt wird, wodurch eine große Zahl an Einzelmessungen erzeugt wird (Abb. 3). Aus dieser Messserie werden jene Messungen selektiert, die für eine komplette Rekonstruktion des Gesamtquerschnitts benötigt werden. Die Profilteile werden anschließend mit Best-Fit Methoden aneinander ausgerichtet (Abb. 4).
Danach werden die ausgerichteten Messungen geglättet und äquidistant gesampelt, wodurch eine geschlossene Kontur des zu vermessenden Querschnitts entsteht. Ausgehend von dieser Kontur können beliebige Dimensionen wie Längen, Winkel oder Radien berechnet werden (Abb. 5).

Erweiterung auf Hot
Da es an Profilen mit über 1.000°C kaum möglich ist, Messungen mit einem manuell geführten Messgerät vorzunehmen, wurde eine einfache Mechanik zur Sensorführung entwickelt. Diese Mechanik muss keine hohen Ansprüche an die Genauigkeit und die thermische Stabilität erfüllen. Ihre Konstruktion kann daher sehr einfach und leicht sein. Denn die Einzelmessungen werden nicht wie sonst üblich über exakt kalibrierte Kamerapositionen sondern mit Hilfe von Best-Fit Methoden an den Messdaten überlappender Aufnahmen zusammengesetzt.
Über jeder vorgesehenen Messstelle wird ein einfacher Kragarm angebracht, auf welchem das Messgerät an Rollen eingehängt wird (Abb. 6). Danach kann es per Hand in die Linie geschoben werden. Der C-Rahmen erlaubt das Ein- und Ausfahren des Geräts auch bei laufendem Walzbetrieb. Die Messung wird per Knopfdruck am Gehäuse gestartet, wodurch sich der Sensor in rund 10 Sekunden auf einer Kreisbahn 270° erst vorwärts dann rückwärts um das Walzgut bewegt. Während dieser Bewegung werden ca. 70 Einzelbilder aufgenommen und am Sensor vorverarbeitet. Der Sensor selbst (Abb. 6 rechts oben) ist mit einem Hitzeschild geschützt und wird mit einem kleinen Getriebemotor bewegt. Der gesamte Messvorgang dauert weniger als 30 Sekunden. Die thermische Belastung des Systems ist also sehr gering, weshalb der Hitzeschutz auf ein Minimum reduziert werden kann. Die gesamte Konstruktion kann daher so leicht ausgeführt werden, dass sie per Hand von einer Messstelle zur anderen getragen werden kann.
Die vorverarbeiteten Daten des Sensors werden drahtlos zum Tablet-PC des Bedieners übertragen, wo sie zusammengesetzt und ausgerichtet werden. Nachdem die Daten ausgewertet und die Dimensionen berechnet wurden, wird das Endergebnis am Bildschirm des Bedieners angezeigt.
Zur Stromversorgung des Sensors und des Antriebsmotors ist ein Akku im System integriert. , im System integriert. Ein Temperatursensor löst gegebenenfalls einen akustischen und optischen Alarm aus und signalisiert dem Bediener damit, das Gerät unverzüglich aus der Linie zu entfernen, um einer Überhitzung vorzubeugen.
Das Messverfahren kann für nahezu alle Profilformen angewendet werden, sofern die über Konturmerkmalen verfügen, die es der Software erlauben, die Einzelprofile eindeutig mit den benachbarten Aufnahmen zusammenzusetzen. Profile wie Schienen, Träger oder ähnliches erfüllen diese Kriterien. Einzig bei Rundprofilen ist diese Bedingung nicht erfüllt, da diese von allen Seiten gleich aussehen. Hier können jedoch statische Referenzobjekte im Messfeld des Sensors angebracht werden, mit deren Hilfe die Daten eindeutig zugeordnet werden können.
Die ersten Prototypen von Calipri Hot werden gerade unter unterschiedlichen Walzwerksbedingungen getestet. Tests mit Rechteckquerschnitten von 140 x 100 mm in einem österreichischen Walzwerk zeigten gute Ergebnisse. Das erste unter Produktionsbedingungen dauerhaft eingesetzte System wird voraussichtlich im vierten Quartal 2015 im Walzwerk der Mannstaedt GmbH in Troisdorf installiert. Die Vermarktung des Systems ist für Anfang 2016 geplant.

 

Kontakt

NEXTSENSE GmbH

Straßganger Straße 295
8053 Graz
Österreich

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