Bildverarbeitung

Anwendungsspektrum der industriellen Röntgenbildgebung

19.09.2017 -

Wie sieht der aktuelle Stand der Technik für die verfügbaren Messaufbauten zur Röntgenprüfung aus? Was sollte der Anwender wissen, um für seine Messaufgabe den optimalen Messaufbau zu finden? Im ersten Teil dieser zweiteiligen Artikelserie werden neben allgemeinen Aspekten der Röntgen-CT besonders die Anwendungen der Röntgenbildgebung zur Erfassung kleinster Objektdimensionen angesprochen.

Im Gegensatz zu anderen zerstörungsfreien Prüfmethoden, wie z. B. Ultraschall oder Thermographie, erlaubt die Röntgenbildgebung – und speziell die Computertomographie – einen wesentlich genaueren Blick auf im Inneren liegende Objektstrukturen. Sie bietet zudem die Vorteile, dass kein Koppelmedium nötig ist und wesentlich weniger Beschränkungen hinsichtlich der Auswahl von prüfbaren Materialien und Wandstärken vorliegen.
Im Bereich der Röntgenbildgebung wird vor allem das rein projektive Verfahren der Radioskopie (Durchstrahlung) von dem auf der Erzeugung von 3D-Daten beruhenden Prinzip der Computertomographie (CT) unterschieden.
Beiden Verfahren ist gemeinsam, dass eine höhere Auflösung der zu prüfenden Objekte vor allem durch eine einfach zu realisierende direkte geometrische Vergrößerung erreicht wird. Alternative Möglichkeiten, wie die Verwendung hochauflösender Detektoren oder die fokussierende Abbildung mittels Röntgenlinsen, sind wesentlich aufwendiger (Bild 1).
Die maximal mögliche geometrische Vergrößerung V ist abhängig vom Verhältnis des Abstands zwischen Röntgenquelle und Detektor (Fokus-Detektor-Abstand FDA) und des Abstands zwischen Röntgenquelle und Prüfobjekt (Fokus-Objekt-Abstand FOA). Wie Bild 2 zeigt, hat die damit erreichbare Auflösung ihre Grenze in der Brennfleckgröße DF (diese bedingt die Unschärfe UF) der Röntgenquelle. Die Wahl einer minimalen effektiven Pixelgröße (Peff = Preal / V, Preal Pixelpitch des Detektors), die maximal der Hälfte der Brennfleckgröße entspricht, ist hier sinnvoll.
Aufgrund der Vielfalt an Objekten, welche einer zerstörungsfreien Röntgenprüfung unterzogen werden sollen, existiert kein Messaufbau, der für alle Prüfaufgaben gleichermaßen gut geeignet ist. Die Röntgenbildgebung deckt die gesamte Prüfkette, beginnend bei höchsten Auflösungen im nm-Bereich für sehr kleine Objekte, bis hin zu gröberen Auflösungen für sehr große Objekte ab. (Bild 3).
Der Anwender muss somit je nach Aufgabe und Problemstellung entscheiden, welcher Messaufbau für die jeweilige Prüfaufgabe ihm am sinnvollsten erscheint.

Labor-Röntgenmikroskope basierend auf Röntgenoptiken

Seit kurzem sind kommerziell erhältliche »Full-field«-Labor-Röntgenmikroskope verfügbar, die auf der »optischen« Abbildung eines von Röntgenstrahlung durchdrungenen Objekts basieren (Bild 4). Die Besonderheit eines solchen Röntgenmikroskops besteht im Einsatz von sogenannten Röntgenoptiken und deren Nutzung in Kombination mit Labor-Röntgenquellen. Bislang werden Röntgenoptiken vorrangig in Verbindung mit Synchrotronstrahlungsquellen eingesetzt.
Die heute verfügbaren Labor-Röntgenmikroskope beruhen vor allem auf der Abbildung eines von Röntgenstrahlung beleuchteten Objekts mittels Fresnel'scher Zonenplatten (FZP). FZPs sind, im Gegensatz zu gekrümmten, refraktiven Linsen, diffraktive optische Elemente. Diese erlauben, abhängig von der Strukturgröße der äußersten Zone, Auflösungen bis in den nm-Bereich. Die maximal erreichbare Auflösung ist jedoch auch abhängig von der Ausdehnung des Prüfobjekts.
So lassen sich z. B. höchste Auflösungen von nominell 15 nm für Prüfobjekte erreichen, die einen maximalen Durchmesser von 16 µm aufweisen – in der Realität ergibt sich u. a. aufgrund von Streuung und Ungenauigkeiten des Manipulationssystems ein etwas schlechteres Auflösungsvermögen. Der maximale Durchmesser von Objekten, die mit Röntgenmikroskopen dieser Art geprüft werden können, darf einen Wert von ca. 60 µm nicht überschreiten. Bei Objekten dieser Ausdehnung sind Auflösungen bis maximal 60 nm (nominell) möglich.
Zwei weitere Besonderheiten dieser Variante sind zum einen die aufgrund des geringen zur Verfügung stehenden Röntgenflusses verhältnismäßig lange Messzeit pro (einzelner) Projektion (abhängig von der gewünschten Auflösung, von Minuten bis zu mehreren Stunden) und zum anderen die Beschränkung, dass die zu prüfenden Objekte mit vergleichsweise geringen Energien von ca. 10 keV oder weniger durchstrahlbar sein müssen.

Geeignete Anwendungsbereiche eines solchen Röntgenmikroskops sind:

  • Biowissenschaften: Darstellung innerer Strukturen von biologischen Proben wie z. B. Zellen, Bakterien o. Ä.
  • Fehleranalyse in Halbleitern: z. B. zerstörungsfreie Prüfung integrierter Schaltungen
  • Materialwissenschaften: beispielsweise die Charakterisierung von 3D-Strukturen von Verbundmaterialien wie z. B. Schäumen
  • Durchführung von Machbarkeitsstudien: z. B. im Bereich von Gas- oder Öl-Explorationsvorhaben (Untersuchung von Gesteinsschichten).

Nano-CT

Wie bereits erwähnt, ist die erreichbare Auflösung bei der konventionellen Röntgenbildgebung durch den Einfluss des Brennflecks der Röntgenquelle sehr begrenzt. Wenn andere Methoden zur Realisierung hoher Auflösungen, wie Röntgenoptiken oder Detektoren sehr hoher Auflösung, zu aufwendig sind, ist es notwendig, den Brennfleck der verwendeten Röntgenquelle zu minimieren.
Das lässt sich z. B. durch die Nutzung eines am Fraunhofer EZRT eigens für diese Zwecke modifizierten Elektronenmikroskops erreichen [1]. Dabei wird der hochfokussierte  Elektronenstrahl eines sogenannten Electron Probe Micro Analyzers (EPMA) zur Erzeugung von Röntgenstrahlung genutzt. An der Position, an der sich bei normalem Gebrauch des EPMA die zu untersuchende Probe befindet, wird zu diesem Zweck ein speziell angefertigtes Röntgentarget angebracht (Bild 5). Diese Kombination aus hochfokussiertem Elektronenstrahl und Röntgentarget erlaubt es, Brennflecke minimaler Ausdehnung von weniger als 200 nm zu realisieren. Brennflecke dieser Größe wiederum ermöglichen, in Abhängigkeit von der Probengröße, bei entsprechend hohen Vergrößerungen Auflösungen bis unter 500 nm.
Die Intensität der emittierten Röntgenstrahlung – das ist der für die Dauer der Messzeit maßgebliche Parameter – ist aus physikalischen Gründen limitiert. Eine Erwärmung des Targets über die Schmelztemperatur, bedingt durch den stark fokussierten Elektronenstrahl und die gleichzeitig sehr geringe Dicke des Targets, muss verhindert werden. Das erlaubt in diesem Aufbau lediglich moderate Targetströme von ca. 200 nA, womit ein vergleichsweise geringer Röntgenfluss verbunden ist.
Diese Art der Röntgenbildgebung erfordert den Einsatz neuartiger photonenzählender Detektoren mit besonders vorteilhaftem Rauschverhalten. Mithilfe solcher Detektoren ist es möglich, Aufnahmen exzellenter Bildqualität mit Auflösungen im mittleren nm-Bereich (minimal 100 bis 300 nm) zu erzeugen, wie auch Bild 6 zeigt.
Die Hauptanwendungsgebiete dieser Technik liegen neben der Prüfung z. B. von integrierten Schaltungen, mikromechanischen Bauteilen und anderen miniaturisierten elektronischen Bauelementen auch in der biologischen Forschung. Eine Begrenzung liegt aufgrund der maximalen Röhrenspannung erhältlicher Rasterelektronenmikroskope von 50 kV vor.

Sub-µ-CT

Die sogenannte Sub-µ-Technik stellt insbesondere aufgrund ihrer Flexibilität das Bindeglied zwischen der reinen Laboranwendung der Röntgenprüfung, mit Auflösungen weit unterhalb eines Mikrometers (Röntgenoptik basierte Röntgenmikroskope, Nano-CT), und der, im industriellen Bereich, weit verbreiteten Mikro-CT-Anwendung mit Auflösungen oberhalb 5 µm dar. Der stark an der jeweiligen Anwendung orientierte Einsatz dieser Technik erfordert es, die geeignete, am Markt erhältliche Komponententechnologie auszuwählen und zu einem effizienten und zuverlässigen Analysesystem zu kombinieren. Die bislang am Markt erhältlichen höchstauflösenden CT-Systeme zeichnen sich zwar durch vielseitige Nutzungsmöglichkeiten aus, sind jedoch in Extrembereichen wie der Sub-µ-CT mit Voxelgrößen im Bereich 500 nm nur bedingt nutzbar. Gründe hierfür sind hauptsächlich die auftretende Drift und Instabilitäten der ursprünglich für Radioskopieanwendungen entwickelten Komponenten, die die Rekonstruktion stark beeinträchtigen, wie der Vergleich in Bild 7 zeigt. Durch geeignete Maßnahmen, die zur Reduktion der Störeinflüsse führen, sowie durch Auswahl angepasster Komponenten, wie z.B. thermisch stabilisierter Röntgenröhren lassen sich bei adäquaten Objektgrößen im Bereich eines Millimeters zuverlässig sehr hohe Objektauflösungen von bis zu 300 nm erzielen.
Aufgrund der bei Radioskopie und CT angewandten Durchstrahlungstechnik bei der Abbildung feinster Strukturen mit geringen Dichte- und Kernladungszahlunterschieden ist die Abbildungsqualität besonders von der Durchstrahlungslänge (Objektgröße) sowie den Aufnahmebedingungen abhängig. Unter optimalen Bedingungen kann bei der hochauflösenden CT etwa 0,1 Prozent Kontrast detektiert werden. Strukturgrößen größer 1 µm mit hohen Absorptionsunterschieden zum umgebenden Material können bei gegebener Ortsauflösung (< 500 nm) in einer 1 mm großen Probe abgebildet werden. Mit zunehmender Durchstrahlungslänge sowie abnehmenden Absorptionsunterschieden zwischen den Materialien kommt es zu Kontrasteinbußen. Eine Möglichkeit feinste Kontraste dennoch im hochauflösenden CT Scan zu messen bietet der sog. Phasenkontrast Effekt, auf den in diesem Artikel nicht näher eingegangen wird.
Der material- sowie objektgrößenbezogene Anwendungsbereich dieser Technologie ist im Vergleich zu noch höher auflösenden Laborsystemen relativ breit. Insbesondere für die Prüfung von elektronischen Baugruppen und Elementen, die einen hohen metallischen Anteil aufweisen, ist die hier erreichbare Strahlungsenergie von bis zu 225 keV vorteilhaft. Zwar lässt sich eine hohe Energie auch an mikroskopiebasierenden Systemen erzielen, die Messzeiten sind jedoch aufgrund der eingeschränkten Detektoreffizienz infolge kleinster Pixel deutlich länger als dies bei der Sub-µ-CT der Fall ist. Dies gilt auch für den Scan großer Objekte, die bei mikroskopiebasierten Systemen aus einer Vielzahl von Einzelscans generiert werden müssen, und damit zeitlich in keiner Relation zur klassischen CT stehen, bei der das Objekt direkt ins Messfeld passt. Je nach Auslegung des Systems auf einen speziellen Anwendungsbereich kann durch Parameteroptimierung ein Maximum an Abbildungsqualität erreicht werden. Eine derartige Konzeptionierung erfolgt hinsichtlich der Kontrastauflösung durch Auswahl der Detektorkomponente und des für den geforderten Kontrast geeigneten Röntgenspektrums. Die Messzeit ist auch bei dieser Technik insbesondere von der Größe des Röntgenbrennflecks abhängig. Sie kann für maximale Auflösungsanforderungen im Bereich mehrerer Stunden liegen. Dank neuester zum Einsatz kommender Komponenten können CT-Messungen im Bereich um 900 nm Voxelkantenlänge mittlerweile in unter einer Stunde und Messungen mit 4 µm Voxelkantenlänge in unter 1 Minute Scanzeit erfolgen.
Unter Berücksichtigung dieser Aspekte kann die Sub-µ-CT heute sogar zur Beobachtung dynamischer Prozesse verwendet werden. Ebenso ist die Analyse von unterschiedlichsten Werkstoffen, wie z. B. Faserverbundwerkstoffen oder biologischen Proben, möglich. Aktuell steht besonders die 3D-Gefügeanalyse von Legierungen für stark beanspruchte Erzeugnisse aus dem Fahrzeug- und Flugzeugbau als Erweiterung bzw. Ergänzung metallographischer Verfahren im Fokus der Forschung und Entwicklung.
Durch die Verwendung von Standardkomponenten kann ein solches System für eine Vielzahl von Anwendungen modifiziert werden und bildet so zugleich den Übergang in die für eine breitere Anwendung geeignete Mikro-CT. Stellvertretend für andere Anlagen dieser Art sind in Tabelle 1 die Parameter einer Sub-µ-CT-Anlage zusammengefasst.

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