Bildverarbeitung

Realisierung von serienorientierten Messaufgaben im schnellen CT

Messen in Serie

11.04.2017 -

Inline-Computertomographie ermöglicht in der Industrie die zerstörungsfreie Prüfung von Materialien und Bauteilen. Während sie hohe Scan-Geschwindigkeiten bietet und innere Strukturen digitalisieren kann, erfordert die Technologie auch die Berücksichtigung verschiedener Faktoren und Messvorgaben.

 

Der Einsatz industrieller Computertomographie, kurz CT, ermöglicht die vorbereitende messtechnische Auswertung und Vermessung von Prüflingen noch vor deren Herstellung. Die CAD-Daten aus der Entwicklung reichen aus, um eine statistische Auswertung von möglichen Messabweichungen zu erhalten. Das schnelle CT, auch bezeichnet als Inline-CT oder Atline-CT, zeichnet sich durch eine hohe Scan-Geschwindigkeit aus. Durch die überlappende Helixbewegung von Detektor und Röhre um das Bauteil herum kann je nach eingestelltem Vorschub und Bauteilgröße beispielsweise ein Zylinderkopf innerhalb von 15 bis 20 Sekunden digitalisiert werden.

 

Nachteile des Inline-CT

Der vorteilhaften Geschwindigkeit wirken vor allem zwei nachteilige Merkmale der schnellen CT entgegen: zum einen reicht bei großen Materialstärken oder langen Bauteilkanten der eingebrachte Energieeintrag nicht aus, um Artefakt-freie Oberflächen zu erhalten. Zum anderen begrenzt die relativ große Detektorapparatur die erreichbare Auflösung. Ziel einer Studie des Inline-CT-Dienstleisters Microvista war es, diese nachteiligen Merkmale auf ein Minimum zu reduzieren. Ende 2016 initiierte das Unternehmen im Rahmen einer Kundenanfrage eine Versuchsreihe. Untersucht wurde die Durchführung einer Messaufgabe an Zylinderköpfen mittels schnellem CT. Dabei sollten insgesamt 91 Messwerte erfasst und bewertet werden. Innerhalb dieser 91 Messwerte befanden sich 15 Messwerte, welche sich auf Wandstärken im Inneren des Zylinderkopfes bezogen.

 

Messmittelfähigkeit nachweisen

Zur Durchführung einer serienorientierten Messaufgabe wurde der CT-Scanner Siemens Somatom Definition AS Plus mit einem 100 kW Generator und einem 64 Zeilen-Detektor eingesetzt. Die Auswertung der Scan-Daten erfolgte in einem Rechner-Cluster. Die Ergebnisse wurden zur Kategorisierung bauteilbezogen auf der Bedienkonsole angezeigt. Dadurch ist es für den Maschinenbediener möglich, sofort nach Auswertung eine Palettierung in IO/NIO vorzunehmen.

Um eine Messaufgabe erfüllen zu können, ist es grundsätzlich notwendig, die Messmittelfähigkeit des Gerätes, wie sie beispielsweise in der VDE 2630 (Computertomografie in der dimensionellen Messtechnik) beschrieben wird, nachzuweisen. Um die Messmittelfähigkeit zu erhalten, wurde das Verfahren der Messsystemanalyse nach VDA Band 5 zur Untersuchung der Genauigkeit der Messwerte und Wiederholgenauigkeit angewendet.

Bei Microvista wurde der Nachweis sowohl durch bereits taktil referenzierte Einzelscans, als auch durch 25 Wiederholungsscans an einem ebenfalls taktil referenzierten Bauteil mit Umpositionierung zwischen den Scans erbracht. In einem ersten Scan war durch Hinzunahme von Messnormalen (in diesem Fall Kugelstäbe) zunächst eine Überprüfung und Korrektur der im Scan ermittelten Bauteildimensionen erforderlich.

Die Analyse der Messmittelfähigkeit ist - anders als bei taktilen Verfahren - für jeden einzelnen Messpunkt separat zu betrachten. Sowohl die Artefaktbildung, als auch die Bauteilgeometrie im Bereich des Messpunktes nehmen hier großen Einfluss. Um Artefakte zu minimieren wurde im Vorfeld die optimale Lage des Bauteils im Scan ermittelt. Zur Fixierung der Ausrichtung des Bauteils in einer seriennahen Umgebung wurde eine entsprechende Prüfteilaufnahme konstruiert und eingesetzt.

 

Korrekte Ausrichtung

Ein wichtiger Einflussfaktor zur Realisierung der Messaufgabe ist die Ausrichtung der Scan-Daten zum verwendeten CAD. Diese Ausrichtung ist als Grundlage zur automatischen Analyse zu sehen. Ausgerichtet wird in diesem Fall nach den Erstaufnahmen des Bauteils. Gibt es hier durch den Gießprozess oder durch falsche Bauteilausrichtung Probleme bei der Oberflächenfindung, so wirken sich diese auf alle Messwerte aus.

Um stabile Werte zu erhalten, wird unter anderem der für bildgebende Messverfahren entwickelte ISO50-Algorithmus ausgenutzt. Dieser Algorithmus definiert die Bauteilkante genau bei 50 Prozent des Grauwertabfalls vom Materialgrauwert zum Grauwert des Hintergrundes. Als Nebenerscheinung erfolgt hier eine auflösungsabhängige Mittelung der Oberflächenpunkte. Diese Nebenerscheinung ist nützlich, um Unebenheiten durch Sandanhaftungen oder leichte Kernausbrüche so zu mitteln, dass ein Messwert die Toleranzgrenze nicht überschreitet.

 

Individuelle Messstrategien

Da an jedem einzelnen Messpunkt die Genauigkeit der Oberflächenfindung in Abhängigkeit zur Durchstrahlbarkeit des Bauteils kombiniert mit dem Oberflächenverlauf betrachtet werden muss, ist es notwendig, für jeden einzelnen Messpunkt eine individuelle Messstrategie zu entwickeln. Zur Erfüllung dieser Messaufgabe muss auch die Subvoxel-Genauigkeit der Scan-Daten ausgenutzt werden. In Bereichen starker Artefaktbildung ist nur bedingt eine Oberflächenfindung möglich. Hier ist es erforderlich, den Messplan an die verfahrensbedingten Gegebenheiten anzupassen und somit gegebenenfalls einen äquivalenten Messpunkt zu finden.

Als Ergebnis der Wiederholungsmessungen werden Mittelwert und Standardabweichung ermittelt und die zur Messmittelfähigkeit notwendigen Cg- und Cgk-Fähigkeitskenngrößen messpunktbezogen berechnet.

Weiterhin muss im Vergleich zu einer taktilen Messung der systematische Fehler des Computertomographen für jeden Messpunkt ermittelt werden. In der Regel werden die Ergebnisse einer taktilen Messung entsprechend Messplan als Referenz verwendet. In der Praxis hat sich jedoch gezeigt, dass taktile Messwerte einer gründlichen Validierung bedürfen, damit systematische Fehler ausgeschlossen bzw. vernachlässigt werden können. Der durch Vergleich mit den taktilen Messwerten errechnete systematische Fehler des Computertomographen wird in einem nächsten Schritt als Offset eines Messwertes verwendet. Daraus folgend ist eine Vergleichbarkeit zur taktilen Messung gegeben.

In mehreren Iterationsschritten konnte ein Cg-Wert von 1,98 erreicht werden, der damit die geforderte Schwelle von 1,33 deutlich überschreitet. Die Toleranz für diesen Messwert beträgt ± 250 µm.

Der zugehörige Prozessfähigkeitsindex Cgk liegt ebenfalls oberhalb der Grenze bei 1,90.

Nach Optimierung des Messprozesses wurden abschließend noch einmal die ermittelten Messwerte der inneren Konturen kontrolliert. Dazu wurden ausgewählte Zylinderköpfe an den jeweiligen Messstellen zerschnitten und dann taktil nachgemessen. Die dabei ermittelte Abweichung von typischerweise 70 µm wurde auf Basis der vorgegebenen Toleranz und der Präzision beim Sägeschnitt als vollkommen ausreichend befunden.

 

Um die ermittelten Ergebnisse stichhaltig zu machen, wurde im letzten Prozessschritt der Studie eine Messung von 18 bereits taktil vermessenen und durch diverse Fehler als NIO bewerteten Zylinderköpfen durchgeführt. Der Vergleich der Messungen sollte zwei wesentliche Erkenntnisse bringen:

 

  1. Alle Messwerte müssen im Rahmen der Schwankungen übereinstimmen, und die taktil zum Ausfall führenden Messwerte sollten auch im CT-Scan den Ausfall anzeigen.  
  2. Die Schwankung der Abweichung der Messwerte der CT-Messung zu den taktilen Messwerten muss ein Minimum betragen.

 

Von der Strategie in die Anwendung

Im Nachgang der Studie begann die Umsetzung der gefundenen Messstrategie in eine automatische Anwendung. Diese Anwendung ist in der Lage:

  • die Scandaten gegen das vorhandene CAD auszurichten,
  • die Messpunkte zu fixieren und die Messung durchzuführen,
  • die erhaltenen Messwerte zu analysieren,
  • die Messwerte bauteilbezogen in einer Datenbank zu speichern und damit eine Fehleranalyse vorzubereiten,
  • messpunktbezogene Bilder zur Stichprobenkontrolle zu hinterlegen,
  • die Kategorisierung der Zylinderköpfe durchzuführen,
  • bauteilbezogen ein Messprotokoll mit allen Messwerten zu erstellen.

 

Somit beschränkt sich der manuelle Aufwand nur noch auf eine Stichprobenkontrolle der ermittelten Messwerte.

 

Eine klare Option

Zusammenfassend lässt feststellen, dass eine messtechnische Prüfung mit einem schnellen CT möglich ist, jedoch die Berücksichtigung einer Reihe von Faktoren verlangt. Nicht nur die Bauteildimensionen und das verwendete Material, sondern auch die Geometrie des Bauteils ist ausschlaggebend. Die Einrichtung einer seriellen Messung muss immer bauteilbezogen über eine Messmittelfähigkeitsanalyse erfolgen. Die Zeitspanne vom Start bis zur Serienfähigkeit der Messung (ohne die Erfassung zusätzlicher Merkmale) liegt etwa bei zwei bis drei Wochen. Der große Vorteil eines Computertomographen, innere Strukturen ebenfalls zu digitalisieren und zu analysieren, spielt bei der Auswahl des Verfahrens eine große Rolle. Auch die gleichzeitige Detektion von Materialfehlern oder anderen Merkmalen spricht für eine computertomographische Untersuchung. Preislich kann eine Messung mittels Computertomographen durchaus mit taktilen Messungen mithalten. Die Auswertung mit Anzeige der Kategorisierung liegt derzeit bei dem verwendeten Zylinderkopf bei circa 4,5 Minuten.

Kontakt

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