Bildverarbeitung

Die perfekte Kombination für industrielle Bildverarbeitung

Das optimale Zusammenspiel von Kamera und Objektiv

04.06.2014 -

Trotz aller Professionalität werden in der industriellen Bildverarbeitung gelegentlich noch dogmatische Ansichten zum Thema Optik und Kamera vertreten. Für die einen darf ein Objektiv niemals mehr als die Kamera kosten, für die anderen darf es ab einer bestimmten Klasse keinerlei optische Abbildungsfehler aufweisen.

Um die Leistung des Systems Kamera/Optik bestmöglich auszunutzen, empfiehlt es sich, das Zusammenspiel von Kamera und Objektiv genau zu hinterfragen. Starre Dogmen stehen einer guten Lösung meist im Wege. Der Anwender sollte sich besser ein eigenes Bild davon machen, welche Optik zu seiner Kamera passt oder umgekehrt.

Farbe oder Monochrom

Am Anfang steht die Frage, ob ein Objekt monochrom oder in Farbe betrachtet werden muss. Im monochromen Fall wird in der Regel ein SW-Sensor verwendet. Die Farbkorrektur des Objektivs ist dann kaum noch relevant, denn es wird einfach auf die optimale Bildebene für monochrome Wellenlänge fokussiert.
Ist die Farbinformation wichtig, muss das Objektiv höhere Anforderungen erfüllen. Die Farbinformation in der Kamera wird üblicherweise entweder über ein Bayer-Pattern auf einem Sensor oder über ein Prisma auf drei Sensoren zerlegt. Die meisten Objektive weisen eine chromatische Aberration auf. Die verschiedenen Wellenlängen haben also unterschiedliche Brennweiten. In diesem Fall liegen erstens die Bildebenen in unterschiedlichen Abständen entlang der optischen Achse, zweitens sind die Bildpunkte unterschiedlich groß und drittens entstehen für die verschiedenen Farben unterschiedliche Abbildungsmaßstäbe. Zusammen führt dies zu unerwünschten Farbsäumen und eventuell sogar zu Falschfarben.

Aufnahmen im NIR-Bereich

Soll darüber hinaus noch der NIR-Bereich (nahes Infrarot bis 1.400 nm) abgebildet werden, sind diese Abbildungsfehler noch deutlicher, denn die meisten Objektive sind vor allem für den sichtbaren Bereich optimiert.
Die an einer Farbkamera verwendeten Objektive sollten also eine gute Farbkorrektur haben. Apochromate weisen die bestmögliche Farbkorrektur auf. Man erkennt diese Objektive oft an der Vorsilbe „Apo" im Namen.
Soll ein Objektiv sowohl im visuellen als auch im NIR-Bereich verwendet werden, empfiehlt es sich, bei weit geöffneter Blende optimal mit dem NIR-Bild zu fokussieren und dann weit abzublenden. Durch die dann wesentlich höhere Schärfentiefe wird der chromatische Längsfehler meist überwunden und das Objektiv kann gleichzeitig im visuellen und im NIR-Spektrum eingesetzt werden.

Winkelabhängigkeiten

Weitere Faktoren im Zusammenspiel von Kamera und Objektiv sind der Hauptstrahlwinkel des Objektivs (der Winkel, unter dem die Lichtstrahlen auf die äußerste Ecke des Sensors fallen) und die Winkelabhängigkeit der Sensorempfindlichkeit. Idealerweise fallen die Lichtstrahlen überall senkrecht auf den Sensor, um einen Helligkeitsabfall zum Rand hin (Vignettierung) zu vermeiden. Dies muss jedoch durch einen bildseitig telezentrischen Strahlengang erkauft werden. Die telezentrischen Objektive werden in der Regel aber nur für kleinere Sensoren gebaut, da die Hinterlinse des Objektivs mindestens den ganzen Sensor abdecken und die Eintrittspupille weit nach vorne verlegt werden muss, wodurch das Objektiv sehr groß wird.
Meist sind bei größeren Sensoren entozentrische Objektive mit einem gewissen Hauptstrahlwinkel vorzuziehen. Die eventuell auftretende Vignettierung lässt sich durch ein Hintergrundbild korrigieren. Durch die stufenlose Verstellung des Fokus kann der optimale Maßstab dann genau eingestellt werden. Eventuell auftretende Randfehler lassen sich im Zweifelsfall durch einen Test des Objektivs zusammen mit dem Sensor bestimmen.

Anlagemaß

Die verschiedenen Objektive haben unterschiedliche Abstände zwischen der Schulter des Mounts und der Bildebene. Es gibt Standards wie den F-Mount, den C-Mount, den TFL-II Mount usw. Für die genormten Mounts bieten die Kamerahersteller serienmäßig Adapter an. Darüber hinaus gibt es auch Objektive ohne einen genormten Mount, die aber trotzdem an einer Industriekamera sinnvoll sind, z.B. ein Objektiv mit M42x1 Gewinde und einem Anlagemaß von 26,5 mm für einen 43 mm Bildkreis.
In der Regel lassen sich die Adapter ohne Probleme selber herstellen. Dann ist es wichtig, den Anschluss der Kamera zu kennen, das Anlagemaß des Objektivs und zuletzt das Anlagemaß der Kamera in Luft. Das geometrisch messbare Anlagemaß der Kamera unterscheidet sich gewöhnlich von dem in Luft, weil die Glasflächen auf dem Sensor das optische Anlagemaß verlängern.
Ist das Anlagemaß der Kamera zu großzügig toleriert, stimmt der Arbeitsabstand des Objektivs nicht mehr. Befindet sich das Objekt dann im Unendlich-Bereich, kann es sein, dass es auf unendlich nicht scharfzustellen ist. Besitzt das Objektiv einen festen Maßstab, wird der Arbeitsabstand ebenfalls nicht stimmen. Dieser Fehler kann gravierend sein, denn der Arbeitsabstand ändert sich mit der Änderung der Bildweite durch das Quadrat des Maßstabs. Bei einer Ungenauigkeit von 0,1 mm und einem Maßstab von 1:10 bedeutet das eine Änderung des Arbeitsabstandes von 10 mm. Je nach Brennweite, Abstand und Blende führt dies dazu, dass ein Objekt nicht mehr scharf abgebildet wird. Bei einem fokussierbaren Objektiv, das im Nahbereich eingesetzt werden soll, kann man über die Fokusverstellung diesen Fehler kompensieren.

Fokussierung

Die meisten Objektive werden während des optischen Designs auf einen bestimmten Maßstab hin optimiert. In dieser optimalen Einstellung liefert das Objektiv die höchste Leistung. Wird das Objektiv fokussiert, um den Maßstab anzupassen, ändert sich die Stellung der Linsen und der Blende zueinander, was die Leistung verschlechtert. Viele Industrieobjektive besitzen keinen Fokustrieb und können nur in einer Einstellung betrieben werden. Sie arbeiten also immer im optimalen Fokus. Der Nachteil ist die geringe Flexibilität.
Objektive mit Floating Elements (Floating Design) bieten hier eine Alternative. Bei ihnen werden beim Fokussieren Vorder- und Hintergruppe sowie eventuell auch die Blende entlang der optischen Achse unabhängig voneinander verschoben. Das bedingt zwar einen hohen mechanischen Aufwand, liefert aber sowohl im Nah- als auch im Fernbereich eine gute Abbildungsleistung.

Auflösung

Ein vieldiskutiertes Thema ist die notwendige Auflösung eines Objektivs im Verhältnis zur Pixelgröße des Sensors. Oft wird angenommen, bei einer Pixelgröße von 3,5 µm müsse das Objektiv 3,5 µm auflösen, was einer Ortsfrequenz von 150 Linienpaaren pro mm (lp/mm) entspricht. Der Zusammenhang zwischen Pixelgröße und Objektiv ist nicht trivial.
Abbildung 1 veranschaulicht, was passiert, wenn die Pixelgröße des Sensors gleich der vom Objektiv gelieferten Ortsfrequenz ist. Die vom Objektiv gelieferte Ortsfrequenz wird von den Pixeln nicht aufgelöst und es kommt zu Aliasfrequenzen (Moiree).
Um die vom Objektiv gelieferte Ortsfrequenz aufzulösen, bedarf es also mehr und kleinerer Pixel. Es werden wenigstens 4 Pixel pro Linienpaar benötigt (Abb. 2). Das bedeutet, dass ein Objektiv für eine Kamera mit 5 µm Pixelpitch lediglich 50 lp/mm [1.000/(4*5)= 50] auflösen muss, für eine Kamera mit 3,5 µm Pixelpitch 72 lp/mm etc. Alle höheren Ortsfrequenzen werden dann als Moiree wiedergegeben.
Oft wird ein Moiree fälschlich auf eine Schwäche des Objektivs zurückgeführt. In Wahrheit jedoch löst das Objektiv wesentlich höher auf als es die Kamera tut. Läge das Problem beim Objektiv, gäbe es kein Moiree, sondern nur eine graue Fläche (Abb. 3).

Sensorgröße

Normalerweise werden Objektive und Kameras so zusammengestellt, dass der Bildkreis des Objektivs und die Sensorgröße zusammenpassen. Also ein Objektiv mit C-Mount und 16 mm Bildkreis mit einer 1" C-Mount Kamera, ein F-Mount Objektiv mit 43 mm Bildkreis mit einer 43 mm Zeile oder einem Vollformat (24 x 36 mm) Sensor.
Es kann jedoch auch sinnvoll sein, vor einen kleinen Sensor ein Objektiv mit einem größeren Bildkreis zu montieren. Zum Beispiel, wenn eine lange Brennweite benötigt wird, die für kleine Sensoren nicht verfügbar ist, oder die Perspektive durch Scheimflug-Verfahren verbessert werden soll.
Ein weiterer Grund für einen überdimensionierten Bildkreis kann auch der Wunsch nach einer optimalen optischen Abbildungsqualität sein. Verwendet man nämlich ein Vollformat-Objektiv mit einem 43 mm Bildkreis mit einem Sensor von z.B. 22 x 15 mm, nutzt man mit 27 mm nur rund die Hälfte des Bildkreises aus. Das wirkt sich sehr positiv auf die Abbildung aus. So ist z.B. der Hauptstrahlwinkel wesentlich günstiger und verhindert Vignettierung. Außerdem werden nur die achsnahen Strahlenbündel für die Abbildung verwendet. Dadurch spielen die sonst auftretenden Abbildungsfehler eine viel kleinere Rolle.

Fazit

Gelingt es dem Anwender, sich von wenig hilfreichen Dogmen und überholten, sachlich nicht haltbaren Entscheidungsregeln zu befreien, sollte es ihm unter Verwendung der oben beschriebenen Faktoren leichter fallen, das richtige Objektiv für eine Kamera und Anwendung auszuwählen.

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