Bildverarbeitung

Das Ende der CCD-Sensoren

Ein Vision-Experte kommentiert die Entwicklung

24.03.2015 -

Die Ankündigung des Weltmarktführers für CCD-Bildsensoren traf viele Kamera- und Systemhersteller wie ein Blitz und doch kam die Entscheidung im wahrsten Sinne nicht aus heiterem Himmel. Was ist passiert? Und warum? Wie geht man am besten damit um? Diese Situation ist für zig-tausende Unternehmen weltweit eine große Herausforderung.

Am 30. Januar 2015 unterschrieben der Präsident der Sony Semiconductor Corporation sowie der Leiter der Bildsensor-Sparte die Ankündigungen, dass die Produktion von 200mm-Wafern für die meisten CCD-Sensoren (Produkt-Code ICX~) Ende März 2017 eingestellt wird. „Wir haben jüngst die Geschäftssituation [...] überdacht", lautete die knappe Begründung. Zudem sei mittelfristig ein Grundstoff nicht mehr verfügbar, der für Farbsensoren benötigt wird.

In diesem Zuge hat der Sensor-Hersteller seinen Kunden folgende Fristen gesetzt:

  • Letzte Annahme von verbindlichen Bestellungen: Ende August 2015
  • Abruf der bestellten Menge bis spätestens Ende September 2019
  • Letzte Lieferung: Ende März 2020

Sonys CCD-Sensoren haben in professionellen Anwendungen der Medizin, Mikroskopie, Produktionsautomatisierung und High-End Überwachungstechnik weltweit immer noch einen beträchtlichen Marktanteil, in vielen Bereichen sicherlich sogar den mit Abstand größten. Folgende vier Faktoren dürften bei der offensichtlich recht kurzfristigen, doch sicherlich wohlüberlegten Entscheidung eine wesentliche Rolle gespielt haben:

  1. Der Marktanteil von Bildsensoren mit CCD-Technologie gegenüber Sensoren mit CMOS-Technologie ist beträchtlich zurückgegangen, bedingt durch die Faktoren 2 und 3:
  2. Die CMOS-Technik hat in den letzten Jahren große Fortschritte verzeichnet.
  3. CMOS-Sensoren liefern bereits ein digitales Bildsignal, weswegen es deutlich einfacher, schneller und günstiger ist, mit ihnen Kameras für den Profi-Bereich zu entwickeln.
  4. Sony selbst hat die eigene Technologieführerschaft bei CCD-Sensoren mit seinem ersten CMOS Global Shutter Sensor, dem IMX174, in Geschwindigkeit, Empfindlichkeit und Dynamikbereich übertroffen. Dieser Sensor liefert bei einer Auflösung von 1920 x 1200 Pixel bis zu 165 Bilder pro Sekunde und das bei einem Dynamikbereich von 74 dB.

Brennende Fragen

Somit ist die Entscheidung nachvollziehbar und doch ist der frühe Zeitpunkt sehr überraschend: Würden Sie als Produkthersteller eine sicherlich immer noch profitable Produktlinie abkündigen, wenn Sie Ihren Kunden noch keine adäquaten Nachfolger für mehrere Schlüsselprodukte vorzeigen könnten? Sicherlich taugen der IMX174 und seine langsamere, an Funktionen abgespeckte und kostengünstigere Variante IMX249 dafür, alle klassischen CCD-Sensoren bis 2,3 Megapixel in 95% der Anwendungen abzulösen. Doch was ist mit den winzigen Sensoren für die Endoskopie und was mit den teilweise noch brandneuen Chips von 2,8 bis 12 Megapixel?

Für viele Integratoren von Bildverarbeitungssystemen brechen nun erst einmal harte Zeiten an: Wie reagiert mein Kamerahersteller auf die Situation? Muss ich CCD-Kameras verbindlich für die nächsten fünf Jahre im Voraus bestellen und bis wann? Was geschieht im Service-Fall? Muss ich mir selbst einen Vorrat an Ersatzkameras anlegen? Hieran wird man erkennen, ob man mit dem richtigen Kamerahersteller zusammenarbeitet. Außerdem bedeutet der künftige Fokus auf die CMOS-Technologie, dass sich Kameras unterschiedlicher Hersteller mit dem gleichen Sensor immer weniger in ihrer Bildqualität unterscheiden werden. Eine breite Auswahl an unterschiedlichen Bildsensoren, Schnittstellen und Gehäusevarianten, absolute Zuverlässigkeit standard-konformer Softwaretreiber für verschiedene Betriebssysteme, ein großer Umfang an Kamerafunktionen sowie die Servicequalität in puncto Lieferzeit, RMA-Abwicklung und Entwicklungsunterstützung - das sind die Dimensionen, in denen sich Kamerahersteller künftig messen lassen müssen. Und das bei stetig sinkenden Preisen und Margen.

Echtes Produktmanagement gefordert

Doch auch im Umgang mit ihren Kunden müssen Systemlieferanten klären, wen sie wie und wann informieren, welche Services sie anbieten wollen und was das sie und den Kunden kosten soll. Und vor allem: Wer soll das alles entscheiden, organisieren und umsetzen? Wohl dem, der in seiner Organisation bereits ein echtes Produktmanagement installiert hat. Andernfalls wäre jetzt die richtige Gelegenheit, um alle Angelegenheiten, die für den Erfolg einer wichtigen Produktlinie entscheidend sind, in eine Hand zu legen. Denn die nächste Fragen stehen vor der Tür: Welche alternativen CMOS-Kameras erfüllen die technischen und wirtschaftlichen Anforderungen? Wie sieht die Technologie-Roadmap der verschiedenen Sensor- und Kamera-Anbieter aus und wie kann man daraus für die eigene Produktstrategie den größten Nutzen ziehen?
Wer sich diese Fragen jetzt nicht stellt, der droht erst technologisch und dann wirtschaftlich ins Hintertreffen zu geraten. Wer allerdings als erster auf all diese Aspekte die für das eigene Unternehmen und die eigenen Zielmärkte richtigen Antworten findet, hat beste Karten als Sieger aus dieser Situation hervorzugehen.

 

 

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