Bildverarbeitung

Jenseits des Rauschens

Erfahrungsbericht zur Anwendung des Kamerastandards EMVA 1288

06.07.2009 -

Pepperl+Fuchs ist ein weltweit tätiger Hersteller von Sensoren und Komponenten für die Prozess- und Automatisierungstechnik. Das Portfolio umfasst auch kamerabasierte Systeme wie Vision-Sensoren und optische Identifikationssysteme, die beim Tochterunternehmen Omnitron am Standort Griesheim entwickelt werden. Hier wurde, im Rahmen einer Diplomarbeit, ein Verfahren eingeführt, um die Empfindlichkeit der Kamera-Hardware unter Berücksichtigung des Rauschens qualifizieren zu können. Dabei kam auch der Standard EMVA 1288 zum Einsatz.

Der Standard EMVA 1288 der European Machine Vision Association wurde entwickelt, um den Anwendern einen Vergleich der Kamera-Kenndaten aus den unterschiedlichen Hersteller-Datenblättern zu ermöglichen. Dieser Standard gibt einen definierten Versuchsrahmen sowie die Darstellung der resultierenden Daten vor. Eine Methode innerhalb des Standards ist die Photon Transfer Methode (PTM). Die Diplomarbeit hat sich am EMVA 1288-Standard orientiert um eine spätere Vergleichbarkeit der Daten zu gewährleisten.

Entstehung von Rauschen

Als Einführung in den Standard sei hier kurz die Funktionsweise einer Kamera erläutert. Licht fällt in Form von Photonen auf den Bildsensor. Durch den Photoeffekt werden Ladungsträger im Bildsensor freigesetzt. Die so gebildete Ladung wird mit Hilfe eines Kondensators in eine Spannung umgewandelt. Ein Verstärker verstärkt diese Spannung, bevor sie mit einem ADC (Analog Digital Converter) digitalisiert wird. Die digitalisierten Stufen lassen sich in Form von Grauwerten in Bildern darstellen.

In diesem Prozess entsteht ein Rauschen auf dem Signal. Dieses Rauschen unterteilt sich in drei Hauptgruppen: ein zeitliches Rauschen, ein örtliches Rauschen und das Quantisierungsrauschen.

Beim zeitlichen Rauschen variiert das digitale Signal eines einzelnen Pixels von Bildaufnahme zu Bildaufnahme. Die Ursachen des örtlichen Rauschens liegen im Herstellungsprozess des Bildsensors. In Bildern ist es als ortsfestes Muster zu erkennen. Es ist auch vorhanden, wenn jedes Pixel exakt mit der gleichen Lichtmenge belichtet wird und das zeitliche Rauschen beseitigt wurde. Gerade CMOS Bildsensoren leiden stark unter örtlichem Rauschen. Die Ursache für das Quantisierungsrauschen liegt in der Konvertierung der verstärkten Spannung in ein digitales Signal mit diskreten Stufen. Je grober diese Stufen sind, desto größer ist dieser Rauschanteil.

Standardisierte Messbedingungen

Der Standard EMVA 1288 beschreibt ein komplettes Setup für den Versuchsaufbau und die Messbedingungen. Zuerst ist es wichtig, die Kamera vom Umgebungslicht abzuschatten und mit einer definierten monochromen Beleuchtung zu arbeiten. Die Wellenlänge kann dabei beliebig gewählt werden. Außerdem sollte der Bildsensor möglichst homogen beleuchtet sein. Ohne die Verwendung eines Objektivs und mit Beleuchtung über einen Lambert'schen Strahler wird dies optimal erreicht.  Die geometrische Konfiguration ist im Standard sehr einfach und verständlich beschrieben. Der Durchmesser der Beleuchtung soll mit dem Abstand zur Kamera die Blendenzahl F# 8 ergeben. Abbildung 2 zeigt den verwendeten Versuchsaufbau.

Die Beleuchtung ist annähernd ein Lambertstrahler, dessen Blende einen Durchmesser von 25 mm hat. Der Abstand zur Kamera beträgt folglich 200 mm. Wichtig ist, dass die geometrischen Mittelpunkte beider Komponenten auf einer Achse liegen und nicht zueinander verkippt sind.

Zusätzlich sind noch Einstellungen an der zu vermessenden Kamera vorzunehmen:

  • Die Grauwert-Auflösung (Anzahl der Bits pro Pixel) muss so hoch wie möglich sein. Eine hohe Bitzahl bietet dem ADC mehr Stufen, um das analoge Signal zu diskretisieren. Je größer die Auflösung ist, desto geringer ist das Quantisierungsrauschen.
  • Die Verstärkung muss so gering wie möglich, aber ausreichend groß sein, dass das gesamte Rauschen größer gleich einem Grauwert entspricht.
  • Der Offset (Black Level Calibration) muss so gering wie möglich, aber ausreichend groß sein, dass das Dunkelsignal größer gleich einem Grauwert entspricht.
  • Es dürfen keine automatischen Korrekturen und/oder Einstellungen verwendet werden.
  • Die Messung muss im Linearbetrieb der Kamera durchgeführt werden.

Ausgangssignal und Rauschen

Das Ausgangssignal eines Bildes wird laut Standard EMVA 1288 durch den Mittelwert aller Grauwerte des Bildes repräsentiert. Die Amplitude des digitalen Ausgangssignals wird von zwei Rauschquellen dominiert, dem „Photon Noise" und dem „Amplifier Noise". Photon Noise entsteht durch die Natur des Lichtes selbst. Die Photonen treffen nicht regelmäßig auf den Bildsensor auf. Die Unregelmäßigkeit ist durch die Poissonverteilung bestimmt. Das Amplifier Noise ist ein weißes Rauschen und entsteht im Verstärker. Beide Größen können dem zeitlichen Rauschen zugeordnet werden. In der gewünschten Betrachtung der Empfindlichkeit war deshalb nur das zeitliche Rauschen erforderlich.

Durch die Differenzbildung aus zwei Bildern werden restliche Inhomogenitäten, das FPN (fixed pattern noise) und die PRNU (photo response non uniformity) beseitigt. FPN entsteht durch die Variation des Dunkelstroms von Pixel zu Pixel. Durch die unterschiedliche Lichtempfindlichkeit der einzelnen Pixel entsteht PRNU. Dadurch entsteht ein ortsfestes Muster, weshalb diese Rauschquellen der Gruppe des örtlichen Rauschens zugeordnet werden.

Berechnung der Empfindlichkeit

Das Ausgangssignal und das Rauschen sind die Grundgrößen, um alle vom zeitlichen Rauschen abhängigen Datenblattwerte zu bestimmen. Die Empfindlichkeit (Sensitivity) ist eine von mehreren Größen, die berechnet werden kann. Weitere Größen deren Berechnung im Standard EMVA 1288 dokumentiert ist, sind in Tabelle 1 angegeben.

Die Sensitivity gibt an, wie viele Elektronen benötigt werden, um eine digitale Einheit zu erzeugen.  Sie berechnet sich aus dem Kehrwert des „Total Conversion Gain K" (TCG). Der TCG beschreibt einen Umrechnungsfaktor zwischen den im Bildsensor erzeugten Elektronen und dem digitalen Ausgangssignal.

Bildsensoren sind temperaturabhängig: durch einen thermischen Effekt werden im Bildsensor ebenfalls Ladungsträger freigesetzt. Aber nur der Anteil des Ausgangssignals und des Rauschens ist von Interesse, der durch Licht bzw. Photonen erzeugt wurde. Deshalb werden das Ausgangssignal und das Rauschen mit Werten aus Dunkelaufnahmen korrigiert.

Die Sensitivity ist aber von der Betrachtung her kein unabhängiges Maß. Sie ist durch die Verstärkung der Spannung beeinflusst. Diese soll zwar nach EMVA 1288 so gering wie möglich eingestellt werden, kann aber selbst bei gleichen Bildsensoren in unterschiedlichen Kameras variieren. Deshalb wäre in diesem Fall eine Angabe der Verstärkung sinnvoll. Dies ist im Zuge der angestrebten Vergleichbarkeit von Datenblättern aber eher hinderlich. Alternativ könnte man ein definiertes Signal- Rausch-Verhältnis (SNR) vergleichen.  

Da das Rauschen genauso stark verstärkt wird wie das Signal, kürzt es sich durch die Bildung des Quotienten. Folglich kann so ermittelt werden, wie viele Photonen erforderlich sind um eine definierte Beleuchtung zu erreichen.

Versuchsdurchführung

Die Bilder zur Auswertung entstehen in zwei Aufnahmeserien. Zuerst wird eine Serie mit einer definierten Beleuchtung unter Variation der Belichtungszeit aufgenommen. Dabei müssen die Belichtungszeiten so variieren, dass Bilder vom Bereich SNR = 1 bis hin zum Sättigungsbereich der Kamera enthalten sind. Außerdem müssen von jeder Belichtungszeit zwei Bilder gemacht werden (siehe Signal und Rauschen).

Ist die Serie mit den belichteten Aufnahmen beendet, kann die Beleuchtung  abgeschaltet werden und es wird mit gleichen Belichtungszeiten eine zweite Serie aufgenommen (siehe Berechnung Empfindlichkeit).

In allen Bildern werden das Ausgangssignal und das zeitliche Rauschen berechnet.

Messergebnis der Empfindlichkeit

Zur grafischen Darstellung des TCG wird das korrigierte zeitliche Rauschen gegen das korrigierte Ausgangssignal aufgetragen. Die Steigung einer Ausgleichsgeraden durch alle Punkte repräsentiert den TCG. Diese beträgt hier K = 0,099 und der dazugehörige Kehrwert D= 10,1e-/DN.

De Vergleich des SNR zeigt Abbildung 2. Verglichen wird das Verhältnis 40:1. Dies stellt nach ISO 12232 eine exzellente Beleuchtung dar. In einem im Logarithmus Dualis dargestellten Graphen würde es ein SNR von 5,3 Bit bedeuten. Um dieses SNR zu erreichen, sind ca. 2.900 Photonen nötig.

Eine Übersicht der vom zeitlichen Rauschen abhängigen Ergebnisse zeigt Tabelle 1. Diese Ergebnisse beziehen sich auf die Wellenlänge 617 nm, die gewählt wurde, da sie der Standardwellenlänge der integrierten LED Beleuchtung der qualifizierten Kamera-Hardware entspricht.

 

Quantenwirkungsgrad η

46,5

%

Sensitivity D

10,1

e-/DN

Sättigung μp,sat

20500

Photonen

Total Conversion Gain K

0,099

DN/e-

Tabelle 1: Ergebnisübersicht

Die Abgeleiteten Parameter zeigt Tabelle 2.

 

SNR

46,5

%

DYN

9,86

Bit

Minimale Empfindlichkeits- Schwelle μp,min

22

Photonen

Tabelle 2: Abgeleitete Größen

Abschließend lässt sich sagen, dass mit der Einführung eines standardisierten Datenblattes für Kameras ein wichtiger Schritt gemacht wurde. Dies ist nicht nur ein Vorteil für den Anwender bei der Wahl der richtigen Kamera für eine bestimmte Applikation, sondern bietet den Herstellern auch einen Benchmarkvergleich bei der Entwicklung neuer Produkte.

Pepperl+Fuchs ist mit dem entwickelten Aufbau in der Lage, verschiedene Kamera-Konfigurationen schnell und effektiv miteinander zu vergleichen. In der Diplomarbeit konnte der Standard EMVA 1288 ohne große Investitionen und ohne Probleme umgesetzt werden. Die im Standard EMVA 1288 zitierte Literatur war dabei sehr hilfreich.

 

Hinweis: Alle Formeln aus dem vorliegenden Beitrag finden Sie im pdf.

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