Bildverarbeitung

Röntgen-Computertomographie

Messen und Prüfen auf echten Volumendaten

30.05.2014 -

In der Koordinatenmesstechnik werden neben den klassischen taktilen Verfahren auch optische Verfahren eingesetzt. All diese Verfahren bleiben an der Oberfläche der Dinge. Die Röntgen-Computertomographie geht da weiter: sie erfasst präzise die Oberfläche und misst zusätzlich im Volumen.

Bei der Röntgen-Computertomographie (3D-CT) wird ein zu prüfendes Objekt ringsum aus allen Richtungen durchstrahlt. Aus den hierbei aufgenommenen zweidimensionalen Röntgenaufnahmen wird dann eine echte dreidimensionale Repräsentation des Objektes berechnet (rekonstruiert). In Analogie zu zweidimensionalen Bildpixeln spricht man bei den so rekonstruierten dreidimensionalen Pendants von Voxeln. Die in der Regel mit mindestens 12 bis 16 Bit codierten Grauwerte der Voxel repräsentieren hierbei im Wesentlichen die Dichte des Materials im gescannten Volumenbereich.
Durch die Volumenrekonstruktion unterscheidet sich die 3D-CT ganz wesentlich von anderen sogenannten 3D-Verfahren, die lediglich die äußere Oberfläche eines Objektes erfassen und darstellen. Mit der 3D-CT können auch innen liegende Oberflächen und Hinterschneidungen erfasst und Informationen über Materialeigenschaften im Objektinneren gewonnen und ausgewertet werden.

Koordinatenmesstechnik auf CT Daten

Die 3D-Analysesoftware VGStudio MAX der Heidelberger Firma Volume Graphics GmbH erlaubt es dem Anwender, alle möglichen Mess- und Prüfaufgaben auf solchen echten Volumendaten durchzuführen. Mit einer intelligenten und exakten Oberflächenbestimmung lässt sich beispielsweise ein Röntgen-Computertomograph als Koordinatenmessmaschine nutzen. Durch ein hierfür bereitgestelltes Software-Zusatzmodul zur Koordinatenmesstechnik werden Regelgeometrie-Elemente wie Ebenen oder Zylinder in entsprechende Strukturen eines Bauteils eingepasst und Messungen zwischen diesen Objekten vorgenommen, was die Durchführung präziser Messungen erlaubt. Weiterhin steht ein Modul zur Wandstärkenanalyse und zum Soll/Ist-Vergleich mit CAD-Daten oder einem zweiten (Voxel-)Datensatz zur Verfügung. Der zu prüfende Datensatz wird dazu auf das Soll-Modell ausgerichtet. Über die gesamte Oberfläche werden Übermaß und Untermaß bestimmt und die Daten entsprechend ihrer Abweichung von der Spezifikation farblich kodiert. Da der Soll/Ist-Vergleich direkt auf den Volumendaten durchgeführt wird, entfällt das nicht nur zeitaufwändige, sondern vor allem verlustbehaftete Konvertieren derselben in ein Oberflächenmodell.
Dadurch, dass die Oberfläche des Bauteils komplett bestimmt wird, inklusive innen liegender und verdeckter Oberflächen, steht für solche Messaufgaben eine riesige Zahl virtueller Antastpunkte zur Verfügung, wodurch sich ein Bauteil viel umfänglicher erfassen lässt, als dies mit herkömmlichen Pseudo-3D-Methoden möglich wäre.

Porositäts- und Defektanalyse

Ein weiterer Vorteil der 3D-CT liegt auf der Hand: neben der Oberfläche eines zu prüfenden Bauteils liefert das Verfahren auch Informationen über dessen innere Struktur, wie Dichteunterschiede, Gefügeauflockerungen, Porositäten oder Einschlüsse, sowie deren genaue Lage im Bauteil. Dies ist in der Materialprüfung z.B. beim Leichtmetallguss oder beim Kunststoff-Spritzguss von Bedeutung. Mit der 3D-Analysesoftware kann der Nutzer solche Auffälligkeiten detektieren und sie auch nach Lage, Form, Größe und Abstand zur nächsten Oberfläche klassifizieren. Damit kann schnell und auf Wunsch auch automatisch eine Gut/Schlecht-Entscheidung getroffen werden. Ein Vorteil, der nicht nur im Labor zur F&E, Produktentwicklung und Qualitätssicherung, sondern mittlerweile auch in der Produktion zur 100%-Kontrolle genutzt wird; letzteres oftmals in Kombination mit anderen Ausschusskriterien, wie z. B. der Maßhaltigkeit.

Nachhaltigkeit und Kosteneffizienz

Auch bei der Prüfung und Charakterisierung moderner Verbundwerkstoffe, wie z. B. die mit Glas- oder Kohlefasern verstärkten Kunststoffe, wird die 3D-CT als vollvolumetrisches Verfahren eingesetzt. Mit einem speziellen Zusatzmodul für die Faserverbundwerkstoffanalyse lassen sich Fasern, Faserbündel und Gelege detektieren, segmentieren und diverse 3D-Analysen durchführen. Unter anderem können Faser-Volumenanteile und Orientierungstensoren für interessierende Volumenbereiche bestimmt und Orientierungen und Vorzugsrichtungen sowohl im Raum als auch in Ebenenprojektionen analysiert werden.
Über eine bereitgestellte Schnittstelle können komplette 3D-Netze gängiger Simulationsprogramme zur Faserverteilung z.B. in Spritzgussbauteilen eingelesen werden, so dass die Berechnung von Orientierungstensoren und Faserdichten für genau diese Zellen der Netze erfolgt. Dadurch wird erstmals ein direkter Vergleich zwischen Simulation und realem Bauteil möglich, der es erlaubt, die Simulationsparameter so zu optimieren, dass die Realität exakt widergespiegelt wird. Anschließend kann mit dieser verbesserten Simulation die Herstellung neuer Bauteile von Anfang an optimiert werden. Das ist ein deutlicher Beitrag zur Nachhaltigkeit und Kosteneffizienz in Entwicklung und Produktion.

Gefüge und offenporige Strukturen

Bei komplexen Materialien wie Schäumen, offenporigen Strukturen, Filtern, Gesteinsproben und Gefügen aus dem Bereich der Geologie, etc. werden möglichst exakte Informationen über die innere Struktur benötigt, weshalb hierfür die 3D-CT als zerstörungsfreies Prüfverfahren (ZFP) geradezu prädestiniert ist. Natürlich sind dann auch spezielle Analysewerkzeuge erforderlich, die in der Lage sein müssen, die gewünschten Informationen zu extrahieren. Unter dem Arbeitstitel „Stone & Foam" wird hierzu von Volume Graphics zurzeit ein neues Modul für die 3D-Analysesoftware VGStudio MAX entwickelt. Damit können Zellstrukturen wie Volumen, Oberfläche und Durchmesser auch bei offenporigen Schäumen und bei Filtern bestimmt werden. Weiterhin erhält der Nutzer Angaben zu Kontaktflächen, durchschnittlichen Längen von Kanten aneinanderstoßender benachbarter Zellen, Eulerzahl und -charakteristik, sowie zu auftretenden Krümmungen. Alles Dinge, die Entwicklungs- und Fertigungsprozesse beschleunigen und optimieren.

Simulationen auf Voxeldaten

Liegen erst einmal all diese bislang beschriebenen Informationen über den inneren Aufbau eines Prüfobjektes vor, ist der nächste Schritt offenkundig und logisch: die numerische Simulation physikalischer Eigenschaften eines Objektes direkt auf den gemessenen Voxeldaten.
Mit einem weiteren neuen Modul mit dem Arbeitstitel „Transport Phenomena" können Permeabilitäten, molekularer Diffusivität und die thermische wie auch die elektrische Leitfähigkeit direkt für das gemessene Objekt mit seiner realen äußeren und inneren Form berechnet werden.
Damit ist die 3D-Röntgen-Computertomographie auf einem guten Weg, ihren Anwendungsbereich und ihren Verbreitungsgrad weiterhin so rasant auszubauen, wie das in den letzten Jahren zu beobachten war. Sie steht kurz davor, eine der wichtigsten Mess- und Prüfmethoden zu werden.

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