Bildverarbeitung

Mobiles Infrarotscannen: Hightech-Alternative zu traditionellen Brückenprüfmethoden

24.08.2017 -

Bauingenieure in den USA stehen vor einem großen Problem: Zehntausende von Brücken dort haben ihre geplante Lebensdauer von 50 Jahren längst überschritten. Der US-Behörde für Fernverkehrsstraßen FHWA zufolge sind rund ein Viertel der 611.845 Brücken in den Vereinigten Staaten „strukturell mangelhaft“ oder „funktional obsolet“. Für die nötigen Instandhaltungsmaßnahmen, Sanierungsarbeiten und Neubauten werden in den kommenden zwölf Jahren Kosten in Höhe von 20,5 Mrd. USD pro Jahr erwartet.

Die derzeit verwendeten traditionellen Methoden zur Identifizierung struktureller Mängel in Betonbrückenfahrbahnen können zeitaufwendig, ungenau und gefährlich für Prüfer und Fahrer sein. Der Erfolg hängt bei diesem Ansatz von der subjektiven Einschätzung des jeweiligen Prüfers ab. Außerdem müssen die betroffenen Fahrstreifen während der Untersuchung gesperrt werden, was zu Verkehrsstörungen führt. Nun bietet jedoch eine neue Hightech-Methode, bei der eine mobile Infrarotkamera mit Analysesoftware kombiniert wird, eine sicherere und objektivere Lösung.

Erkennung von Brückendelaminationen

Zwei wesentliche Faktoren bei Betonbrückenschäden sind Delaminationen und Abplatzungen (Abb. 1). Als Delamination wird die Aufspaltung von Beton in Schichten oder die Trennung der oberen Schicht vom Substrat bezeichnet. Eingemörtelte Bewehrungsstäbe korrodieren im Laufe der Zeit und dehnen sich aus, wodurch sich der Beton entweder horizontal zwischen den Schichten spaltet (Delamination) oder sich in Stücke teilt, die über dem beschädigten Bereich abbrechen (Abplatzung).
Bei der Suche nach Betondelaminationen wird in der Regel eine zerstörungsfreie akustische Prüfung durchgeführt. Dazu zieht der Prüfer eine schwere Metallkette über die Brückenfahrbahn und horcht auf das hohle Geräusch, das in delaminierten Bereichen entsteht. Anhand dieser Daten kann er eine Delaminationskarte der Brückenfahrbahn erstellen.
Diese akustische Kettenprüfung hat jedoch Nachteile. Obwohl während der Untersuchung der jeweilige Fahrstreifen gesperrt wird, müssen die Prüfer häufig neben offenen Spuren arbeiten. Durch die Verkehrsgeräusche ist es schwer, den veränderten Klang der Kette auf delaminiertem Beton zu hören. Außerdem ist diese Methode stark abhängig von den Kenntnissen und der Erfahrung des Prüfers, sodass sie subjektiv und potenziell ungenau ist. Eine Studie der FHWA zur Delaminationsprüfung von Fahrbahnen kam zu dem Schluss, dass die Kettenprüfung nicht immer präzise Ergebnisse liefert.
Bei einer Hightech-Alternative zur akustischen Kettenprüfung wird eine Infrarotkamera auf einem LKW montiert (Abb. 2), um delaminierte Bereiche in Betonfahrbahnen zu identifizieren. Nexco-West USA hat diese zerstörungsfreie Prüfmethode entwickelt, bei der die firmeneigene Software anhand der Bilder einer gekühlten Flir Infrarotkamera (Abb. 3) Karten erstellt. Ingenieure der Firma arbeiten nun gemeinsam mit der University of Central Florida an der Entwicklung objektiver und effizienter Verfahren zur Brückenprüfung für Fernverkehrsstraßenbehörden in den gesamten USA.

Eine sichere, effiziente, mobile Methode

Der Ansatz von Nexco-West zur Identifizierung von Brückendelaminationen ist ein mobiles Verfahren, bei dem eine Infrarotkamera auf einem Fahrzeug montiert wird. Da bei diesem Ansatz weder Fahrstreifen geschlossen noch Geschwindigkeitsbegrenzungen angeordnet werden müssen, wird der Verkehrsfluss nicht gestört, und die Prüfer können sicher arbeiten.
Die Aufnahmen werden normalerweise tagsüber oder in den Stunden nach Sonnenuntergang durchgeführt, weil zu diesen Zeiten die größten Temperaturschwankungen stattfinden. So kühlt Beton, der nachmittags erwärmt wurde, nach Sonnenuntergang wieder ab, was zu messbaren Temperaturunterschieden führt (Abb. 4). Während der Großteil der Fahrbahndecke sich gleichmäßig erwärmt oder abkühlt, unterbrechen Delaminationen die Wärmeleitung. Die Temperatur des beschädigten Betons steigt tagsüber schneller an und sinkt abends schneller. Diese Änderungen werden von der Infrarotkamera mühelos erkannt.
Bei der Prüfung fährt ein LKW mit einer montierten Infrarotkamera bei einer Geschwindigkeit von etwa 80 km/h mit dem regulären Verkehr über die Brücke. Laut Matsumoto kann mit einer Infrarotkamera in wenigen Minuten ein vollständiger Fahrstreifen einer 1,5 km langen Brücke aufgenommen werden.
Bei der Kamera, die im Scan-System von Nexco-West zum Einsatz kommt, handelt es sich um eine FLIR A6701sc MWIR-Kamera für die Wissenschaft (Abb. 5). „Wir verwenden die Kameras der A6700-Serie, weil sie auch während der Fahrt mit hoher Geschwindigkeit hochauflösende Wärmebilder liefern“, berichtet Masato Matsumoto, President und CEO des Unternehmens. Der gekühlte Indium-Antimonid-Detektor der Kameras wartet mit Integrationszeiten von gerade einmal 0,48 μs auf, sodass das Team Wärmebilder mit 640 × Pixeln ohne Bewegungsunschärfe aufnehmen kann. Dabei wählen die Experten meist eine Bildrate von 10 Hz, mit der bei Autobahntempo alle zwei Meter gestochen scharfe Wärmebilder möglich sind. Die Kamera ist mit einem Laptop im Fahrzeug verbunden (Abb. 6), auf der die Nexco-West-Software Infrared Bridge Assessment System (IrBAS) ausgeführt wird. So kann das Team Echtzeitanalysen ansehen und potenziell delaminierte Bereiche erkennen (Abb. 7).

Datenverarbeitung

Sobald Daten zu allen Fahrstreifen der Brücke erfasst wurden, kann das Team mit der Verarbeitung beginnen. Da die IrBAS-Software den Großteil der Datenanalyse- und Berichtsprozesse automatisch ausführt, werden bei der Erstellung von Mängelkarten viel Zeit und signifikante Kosten eingespart. Die Software nutzt diese Mängelkarten zur Berechnung des prozentualen Anteils des delaminierten Fahrbahnbereichs und klassifiziert den Zustand daraufhin gemäß den Kriterien des Zusammenschlusses der Verkehrsministerien der US-Bundesstaaten AASHTO (Abb. 8).

Dabei gibt es drei Schadenskategorien:

  1. Indication (Hinweis): Delaminationen in einem Abstand von bis zu 4 cm zur Betondecke
  2. Caution (Vorsicht): Delaminationen in einem Abstand von bis zu 2 cm zur Betondecke
  3. Critical (kritisch): An die Betondecke angrenzende Delaminationen

Während Fahrbahnbereiche mit der Bewertung „Indication“ als ausreichend gelten, müssen „Caution“-Flächen genau beobachtet werden. Bei als „Critical“ eingestuften Bereichen sind sofortige Maßnahmen erforderlich.

Objektivere Entscheidungen, sicherere Brücken

Aufgrund der Subjektivität und potenziellen Ungenauigkeit der akustischen Kettenprüfung ist eine Überprüfung dieser traditionellen Methode zur Inspektion von Brückenfahrbahnen erforderlich. Infrarotaufnahmen liefern objektivere Ergebnisse, und durch die Mobilität werden die Nachteile von Straßensperren wie Sicherheitsrisiken, Verkehrsstörungen und erhöhte Emissionen vermieden.
Ein weiterer Vorteil der umfassenden, objektiven Datenerfassungsmethode von Nexco-West besteht darin, dass Fernverkehrsstraßenbehörden die Brückenleistung langfristig beobachten können. Die Infrarotkartierung unterstützt die datenbasierte Entscheidungsfindung beim Brückenmanagement und hilft Brückenbetreibern letztendlich, teure Reparaturen bei katastrophalen Mängeln zu vermeiden. Durch Überlagerung von Mängelkarten auf früheren Aufnahmen können Ingenieure den Zustand von Brücken bewerten und berechnen, wie schnell sich dieser verschlechtert  (Abb. 9). So lässt sich die Entwicklung prognostizieren, um geeignete Sanierungspläne zu erstellen.

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