Bildverarbeitung

Messverfahren auf dem Prüfstand

Strukturauflösung in der berührungslosen Koordinatenmesstechnik

27.05.2014 -

Sobald sich industrielle Messverfahren neuer Technologien bedienen, müssen diese auch verläßlich geprüft werden. Hierzu werden geeignete Prüfverfahren benötigt. Experten der PTB in Braunschweig haben sich für die Koordinatenmesstechnik dieser Herausforderung gestellt.

In der modernen Koordinatenmesstechnik werden optische Sensoren in immer stärkerem Maße eingesetzt. Heute sind dies neben den klassischen Bildverarbeitungssystemen auch verbreitet optische Abstandssensoren mit unterschiedlichen Funktionsprinzipien oder auch Systeme auf Basis der industriellen Röntgencomputertomographie (CT). Unter Verwendung leistungsfähiger 3D-Auswertesoftware (s. a. inspect 3/2013, S. 22–24 und 54–56) können so vollständige Werkstückprofile, -oberflächen oder -volumina erfasst werden. Die ermittelten Datensätze ermöglichen die effiziente und ganzheitliche Prüfung der Fertigungstoleranzen. Die sich aus den Messaufgaben ergebenden Anforderungen an die zu verwendenden Koordinatenmessgeräte (KMG) schlagen sich in den Spezifikationen der Annahme- und Bestätigungsprüfungen für Koordinatenmessgeräte nieder. Diese sind inder Normenreihe DIN EN ISO 10360 und der VDI/VDE Richtlinienreihe 2617 festgelegt. Traditionell werden hier die Längenmessund Antastabweichungen ermittelt.

Messung von Details

Für die Funktion von Werkstücken ist häufig die sollgeometrietreue Herstellung auch kleiner Details wichtig, die mit Hilfe von Koordinatenmesstechnik geprüft werden muss. Abbildung 1 zeigt dies beispielhaft an einem komplexen technischen Bauteil. Die genaue Erfassung der Merkmale A, B und C stellt jeweils unterschiedliche Anforderungen an die Auflösung des Messsystems. Bei Merkmal A ist ein Bereich mit sehr geringer Materialdicke zu messen. Merkmal B stellt eine kleine Stufe dar, bei der die Auflösung hauptsächlich unidirektional relevant ist. Merkmal C ist ein messtechnisch schwer zugängliches Innengewinde, bei dem die Flankenform mit feinen konkaven und konvexen Strukturen zu messen ist. Um die Eignung von Messgeräten für die Messung kleiner Details zu beurteilen, wird hier die „Strukturauflösung für dimensionelle Messungen“ eingeführt, die ein Maß für die kleinsten noch messbaren Bauteildetails darstellt. Diese Strukturauflösung unterscheidet sich wesentlich von anderen Auflösungsdefinitionen. So zielt z. B. die optische Auflösung nach dem Rayleigh-Kriterium nur auf die Erkennbarkeit von Strukturen in der Ebene, nicht aber auf die Messbarkeit von Topographien ab. Alternative Auflösungsdefinitionen, die auf der „Modulation Transfer Function“ (MTF) basieren, benötigen Vorwissen über die 3D-Geometrie und versagen bei nicht vollständiger Linearität des Sensors.

Für KMG mit optischen Abstandssensoren wird im Teil 8 der DIN EN ISO 10360 ein „Auflösungstest“ gefordert und im Anhang A unter dem Begriff „Strukturauflösung“ umrissen. Dieser zusätzliche Test soll bei der Bestimmung der Antastabweichung eine eventuell durchgeführte Filterung der Messwerte erkennbar machen, die zu kleineren Antastabweichungen, aber auch zu einer schlechteren Strukturauflösung führen würde. Demgegenüber wird in der Richtlinie VDI/VDE 2630 Bl. 1.3, die sich auf CT basierende KMG bezieht, die Strukturauflösung als der Durchmesser definiert, den das kleinste Objekt (Kugel) hat, das messbar ist. Diese Definitionen sind nur schwer bei unterschiedlichen Sensorprinzipien wie z. B. optischer, taktiler oder CT Messung einheitlich anwendbar. Die Autoren des Beitrags schlagen daher eine alternative Definition der Strukturauflösung für dimensionelle Messungen vor, die auch bei realen 3D-Messungen und bei Verwendung unterschiedlicher Sensorprinzipien anwendbar ist. Ziel dieser neuen Strukturauflösungsangabe ist insbesondere auch die einheitliche Bewertung der Leistungsfähigkeit verschiedener KMG durch Angabe einer Auflösungskenngröße in der Einheit der Länge.

Das zugrunde liegende Verfahren

Die Idee ist in Abbildung 2 skizziert: Wird mit einem Sensor eine Oberfläche mit einer kreisförmig abgerundeten Kante mit bekanntem Radius R und Kantenwinkel α hinreichend dicht abgetastet – „gescannt“–, kann man einen Kreisbogen mit dem Radius R‘ in das gemessene Profil der Rundung einpassen. Der reale Kreisbogen wirddurch die begrenzte Strukturauflösung des Sensors abgeflacht gemessen. Das Verhältnis aus dem gemessenen Radius R‘ und dem bekannten Sollradius R ist die Messgröße r. Die Strukturauflösung S ist so definiert, dass ein äquivalenter Sensor, der eine gaußförmige „Verschmierungsfunktion“ mit einer Breite S aufweist, die gleiche Veränderung des Krümmungsradius wie der verwendete Sensor bewirkt. Diese Breite S ist die neue Kenngröße für die Strukturauflösung.

Der Zusammenhang zwischen r und S ist in Abbildung 3 dargestellt. Hierbei wird die Strukturauflösung an einem Prüfkörper mit hinreichend kleiner Krümmung durch Messung bestimmt. Zu beachten ist, dass auch der Kantenwinkel α einen Einfluss auf die Ermittlung der Strukturauflösung hat. Eine genaue Beschreibung des Verfahrens und praktische Beispiele erscheinen demnächst in „Measurement Science and Technology“. Die hier vorgestellte Strukturauflösung stellt einen wichtigen Parameter der Krümmungsübertragungsfunktion bei dimensionellen Koordinatenmessungen dar. Die Krümmungsübertragungsfunktion ist ein aus der Computergrafik bekanntes Werkzeug ähnlich der optischen Übertragungsfunktion.

Ein geeigneter Prüfkörper

Abbildung 4 zeigt einen Prüfkörper zur Bestimmung der Strukturauflösung von KMG. Er wurde aus einen Zylinder mit 2 mm Durchmesser mit einer amorphen Nickelbeschichtung durch Diamantdrehen hergestellt. In die Oberfläche wurden jeweils drei Rillen und drei Grate hineingearbeitet, die ein abgerundetes Dreiecksprofil haben und an der Spitze jeweils einen unterschiedlichen Krümmungsradius aufweisen. Die Krümmungsradien sind unterschiedlich mit Werten im Bereich weniger Mikrometer, der Kantenwinkel α beträgt einheitlich 40°. An diesem Prüfkörper wurden mit einem konfokalen Mikroskop (Sensofar PLμ Neox) bei einer Vergrößerung von 100x (NA = 0,90) flächenhafte Messungen an zwei Kanten durchgeführt. Senkrecht zur Kante wurden die Radien entlang von Profilen ausgewertet. Das Ergebnis der Radiusauswertung ist in Abbildung 5 dargestellt.

Im Mittel ergaben sich für die beiden untersuchten Strukturen Radien R‘ von 1,52 μm bzw. 2,22 μm. Die bei einer Kalibrierung mit einem Rasterkraftmikroskop erhaltenen Soll-Radien R betragen 0,7 μm bzw. 1,7 μm. Daraus folgt mit Hilfe von Abbildung 3 übereinstimmend eine Strukturauflösung von etwa 0,95 μm bei einer vom Hersteller nach dem Rayleigh-Kriterium angegebenen Auflösung des Objektivs von 0,16 μm. Der mit der neuen Definition erhaltene Wert der Strukturauflösung unterscheidet sich somit erheblich von der optischen Auflösung. Die Anforderung, Details korrekt messen zu können, stellt somit deutlich höhere Anforderungen an das Messsystem. Die Autoren werden das neue Konzept in Normungsgremien zur Diskussion stellen und hoffen, dass es dazu beiträgt, die Vergleichbarkeit von Messungen mit KMG, die optisch, taktil oder tomographisch antasten, für kleine Strukturen zu verbessern.

Kontakt

Physikalisch-Technische Bundesanstalt

Bundesallee 100
38116 Braunschweig
Braunschweig

+49 0531 592 0

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