Bildverarbeitung

Komplex wie ein Uhrwerk

Laser Scanner Einsatz bei der Modulmontage von Automobil-Schließsystemen

20.05.2015 -

Die messtechnische Bewertung erster werkzeugfallender Teile ist wesentlicher Bestandteil der Bauteilqualifizierung für die Serienproduktion. Klassische taktile Verfahren sind allerdings je nach Materialbeschaffenheit nicht in der Lage, die geforderte integrale Gesamtbetrachtung zu ermöglichen. Hier kommen digitale Cross-Streifenlaserscanner zum Einsatz.

BMW, Daimler Benz, VW, Ford, General Motors, Fiat, Renault, Nissan... Mehr als 50 internationale Automobilmarken setzen bei der Technik für Seitentürschlösser, Schlossmodule, Heckschlösser und Antriebe auf die Kiekert AG, den global führenden Zulieferer für automobile Schließsysteme mit Hauptsitz in Heiligenhaus bei Düsseldorf.

Erfinder der Zentralverriegelung
In seiner über 150-jährigen Geschichte hat das Technologieunternehmen bis heute weit über 1,5 Milliarden Fahrzeugschlösser entwickelt und gefertigt. Mit mehr als 1.200 Patenten ist das Unternehmen der Innovationsführer dieses anspruchsvollen Technologiebereichs. Hier wurden die Zentralverriegelung und die elektromotorische Servoschließung erfunden. Hier tüfteln Entwickler an Lösungen, die auch in Zukunft das Fahren noch komfortabler und sicherer machen werden. Und hier sind Qualitätssicherer im Einsatz, die auf modernste Mess- und Prüfverfahren zurückgreifen können.
So werden beispielsweise Prototypen in speziell konstruierten Testständen extremen Lebensdauertests unterzogen. Sämtliche Produkte müssen im Verlauf ihrer Entwicklung unzählige Belastungstests bestehen, die den Fahrzeugeinsatz in den unterschiedlichsten Regionen der Welt nachbilden. Zukunftssichere Qualität steht hier ganz eindeutig im Fokus.

Die kritische Vorserienphase
Als ganz auf die Modulmontage spezialisiertes Unternehmen ist man in Heiligenhaus zu einhundert Prozent auf Zulieferteile angewiesen. Diese Tatsache erfordert gerade in der Prototypenphase und im Vorserienstadium penibelste Prüfschritte und genaueste Abstimmungen mit den Lieferanten. Welcher Aufwand dahinter steckt, lässt sich erahnen, wenn man weiß, dass ein Seitentürschloss aus bis zu 130 Einzelteilen besteht. Ihr Zusammenspiel ist durchaus mit einem Uhrwerk vergleichbar, mit sehr formschlüssigem Ineinandergreifen, Bewegen und Mitnehmen von Bauteilen. Diese komplexe Funktionalität auf engstem Raum hängt vom korrekten Einhalten mehrerer hundert Funktionsmaße ab. Funktionsmaße, die beispielsweise Lagerstellen definieren oder die akkuraten Positionen zweier Getriebeelemente zueinander. Die Serientolerierung akzeptiert für solche Funktionsmaße nur selten Grenzen von mehr als 0,05 mm. Ein Genauigkeitsbereich, der völlig mühelos von taktilen Koordinatenmessmaschinen abgearbeitet werden könnte. Nicht so in der speziellen Bauteilqualifizierung im Messlabor bei Kiekert.
Der Hintergrund: Die Forderung nach sehr hoher dimensioneller Maßhaltigkeit betrifft vor allem sogenannte integrale Bauteile, welche die gesamte Komplexität eines Schließsystems abbilden. Allen voran die Gehäuseteile der Schlösser und Zentralverriegelungsmodule mit ihren zahlreichen Lagerstellen und Aufnahmen für Funktionselemente. Entsprechend intensiv widmet man sich den ersten werkzeugfallenden Exemplaren. Werkzeugfallende Teile, auch „First off Tool"-Teile genannt, sind erste beim Zulieferer mit Serienwerkzeugen hergestellte Muster. Sie liefern in der Vorserienphase wichtige Erkenntnisse und sind die Grundlage der Bauteilqualifizierung für die Serienfertigung.

Die integrale Gesamtbetrachtung
Würde man sich diesen Prototyp-Teilen messtechnisch klassisch nähern - also nach der Messausrichtung alle Messpunkte taktil anfahren -, müsste man feststellen, dass etliche der Merkmale außerhalb der Toleranz liegen. Das Teil also scheinbar nicht akzeptabel ist. Was allerdings ein Fehlschluss wäre. Zumindest dann, wenn es, wie der Großteil aller Gehäuseteile, aus Kunststoff besteht. Denn Kunststoffbauteilen dieser Art wohnt materialbedingt und unvermeidlich ein gewisser Verzug inne. Eine durchaus beherrschbare Erscheinung, vorausgesetzt, man weiß um ihre Ausprägung und kann sie exakt definieren.
Die Aufnahme einzelner Messpunkte und Merkmalsmaße über ein taktiles Messverfahren würde darüber überhaupt keine Aufschlüsse geben. Weil dabei wegen der begrenzten Messpunktanzahl niemals ein geschlossenen Bild des Prüfteils entstehen könnte. Ein Problem vor allem dann, wenn solche Teile in einem späteren Produktionsschritt „verheiratet", also zusammengefügt werden. Absolut unabdingbar für eine integrale Gesamtbetrachtung ist deshalb eine vollständige, alle Flächen und Merkmale darstellende 3D-Ansicht des Bauteils. Nur sie gewährleistet einen tragfähigen Eindruck über tatsächlich kritische Bereiche und lässt Rückschlüsse für eine eventuell erforderliche Korrektur an Werkzeugmaschinen zu. Und nur sie ist in der Lage, unter Berücksichtigung des natürlichen Verzugs wirkliche „Nullpunkte" am Teil festzulegen - zum Beispiel für ergänzende taktile Prüfungen. Schon früh setzte sich Kiekert bei der Lösung dieses speziellen Prüfproblems von anderen Herstellern ab, indem man sofort das
Potenzial berührungsloser Laser-Messsysteme erkannte und nutzte.

Scannen statt tasten
Schon mit Marktreife der Laserscanner-Technologie Anfang der 2000er Jahre wurde in Heiligenhaus das erste System dieser Art in die Qualitätssicherung implementiert. Bereits kurze Zeit später wurden Streifenlaserscanner des Herstellers Nikon Metrology nicht nur im Stammwerk Heiligenhaus, sondern auch in anderen Kiekert-Produktionsstandorten eingesetzt.
Man schätzte besonders die großen Vorteile des berührungslosen Messens via Laserscanner für die Bauteilqualifizierung:
• Erstellen hochdichter Punktewolken für das rasche Identifizieren von Merkmalen
• Deutlich vereinfachte Erst- und Detailbewertung der Messergebnisse durch Falschfarbendarstellung
• Schnelles Messen von Freiformflächen auf CAD-Basis
• Merkmalsprüfung auf CAD-Basis
• Erfassen vollständiger digitaler Kopien eines Werkstücks innerhalb weniger Minuten
• Verkürzte Messzeiten und damit erhöhter Prüfteiledurchsatz
• Vereinfachte Messdatenaufbereitung für die Übergabe an die vorhandene Verarbeitungs- und Auswertesoftware
• Möglichkeit des Reverse Engineering
• Festlegen idealer Ausrichtpunkte für geometrische Messungen

Cross-Scanning mit drei Laserlinien
Mit der neuesten Evolutionsstufe der Nikon-Lasertechnologie, dem digitalen Cross-Scanner XC65Dx, erhielt die Bewertung von „First off Tool"-Teilen nun nochmals einen erheblichen Leistungsschub. Denn der Scanner nimmt mit drei kreuzförmig angeordneten Laserstrahlen sowohl flächige Bereiche als auch Merkmale wie Langlöcher, Lagerstellen, Bohrungen etc. der Bauteile ins Visier. In den meisten Fällen genügt ein einziger Scan mit einem einmaligen Abfahren des Werkstücks. Die drei Laserlinien decken dabei ein Sichtfeld von 65 x 65 mm ab, während die Sensorgenauigkeit bei 12 μm liegt. Aus den insgesamt 75.000 Laserpunkten pro Sekunde generiert der an einer Portalmessmaschine agierende Cross- Scanner eine hoch dichte 3D-Punktewolke. Bereits über die Falschfarbendarstellung der auswertenden Messsoftware Nikon Focus gewährt sie eine auf den ersten Blick extrem aussagefähige Bewertung des Prüfergebnisses.

Sechsfach höhere Produktivität
Aufgrund der permanenten automatischen Punkt-zu-Punkt-Anpassung der Laserintensität des Scanners kann auch das zeitraubende Einsprayen zum Unterbinden unerwünschter Reflexionen bei den meisten Teilen komplett entfallen. Es werden bis zu 75.000 Punkte pro Sekunde erfasst und individuell eingestellt und so eine homogene, lückenlose Punktewolkenaufnahme ohne Überstrahlungen garantiert.
Wechsel im Prüfablauf, etwa für unterschiedliche Prototypen, stellen ebenfalls kein Problem dar. Denn über die Nikon Software Focus Scan lassen sich die erforderlichen Scannerbewegungen auf Basis der CAD-Daten bereits im Offline-Betrieb automatisch generieren und bei Bedarf direkt abrufen.
Der generelle Zeitgewinn ist beträchtlich. Fünf- bis sechsfach höher schätzt man bei Kiekert die Produktivität der Cross-Laserscanner im Vergleich zu analogen Linienscannern ein. Die Erfahrung hat gezeigt, dass mithilfe der digitalen Cross-Laserscanner-Technologie ein Produkt schneller zur Marktreife gebracht werden kann. Durch die frühzeitige Einbindung des Lieferanten zur Festlegung idealer Ausrichtpunkte ließ sich die Zahl der Korrekturschleifen bei den "First off Tool"-Teilen bedeutend verringern.

 

Kontakt

Nikon GmbH

Tiefenbroicher Weg 25
40472 Düsseldorf
Deutschland

+49 211 94 14-218
+49 211 94 14-322

Nikon Metrology Europe NV

Interleuvenlaan 86
3001 Leuven
Belgien

+32 16 74 01 01

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