Automatisierung

Schneller durchatmen

Paralleler Betrieb von Bildverarbeitung und Maschinensteuerung auf einem IPC

28.05.2013 -

In der Fertigungsautomatisierung gehören optische Prüfverfahren zum Standardrepertoire der Qualitätskontrolle. Zur schnelleren und sicheren Kommunikation zwischen Maschinensteuerung und Bildverarbeitung kombinierte der Sprüh- und Dosiersystemhersteller Aptar Pharma Bildverarbeitung mit PC-basierter Automatisierungstechnik.

Das Unternehmen Aptar Radolfzell stellt mit dem Segment Aptar Pharma mechanische Sprüh- und Dosiersysteme für die pharmazeutische Industrie her. Um der steigenden Nachfrage gerecht zu werden, musste das Unternehmen die Produktionskapazität am Standort Eigeltingen um eine neue Maschine erweitern, die den Durchsatz deutlich erhöhen sowie die Kosten für Wartung und Instandhaltung reduzieren sollte.

Aufgrund guter Erfahrungen sollte auch bei der neuen Fertigungsmaschine die Qualitätskontrolle mit der Bildverarbeitungssoftware NeuroCheck der gleichnamigen Firma durchgeführt werden. Im Fall der Produkte von Aptar Pharma wird mit einer Kamera geprüft, ob eine Düsenbohrung im Sprühkopf vorhanden ist und wie groß diese ist. Bei den bisherigen Fertigungsmaschinen wurden die Daten von der Bildverarbeitungssoftware an die SPS-basierte Maschinensteuerung weitergeleitet, um Fehlprodukte auszusortieren. Mit diesem Konzept wurde ein Durchsatz von 120 Einheiten pro Minute erreicht. Doch sowohl die Maschinensteuerung als auch die Bildverarbeitung könnten alleine deutlich schneller agieren. Genau hier sieht Patrick Kohler, Projektmanager für Industrialisierung bei Aptar Pharma, den Ansatzpunkt für eine Produktivitätssteigerung. „Bisher läuft die Bildverarbeitung auf einem PC und eine SPS übernimmt die Maschinensteuerung. Zur Kommunikation beider Systeme müssen die Daten jedoch konvertiert und über ein Netzwerk übertragen werden. Diese Kommunikation haben wir als den Flaschenhals unserer Produktion identifiziert." Daher besteht der Lösungsansatz des Pharma-Unternehmens darin, beide Anwendungen auf einer Plattform ablaufen zu lassen, um die Kommunikation ohne Umwege über Datenwandlung und externe Schnittstellen zu realisieren. „Wenn wir nur noch eine Plattform für Bildverarbeitung und Maschinensteuerung benötigen, wird auch die Anzahl der Komponenten in der Maschine verringert. Somit können wir auch unsere zweite Anforderung, Kosten für Wartung und Ersatzteilversorgung zu senken, erfüllen", erläutert Patrick Kohler einen weiteren Vorteil der Lösung.

PC-basierte Automatisierung

Der Idee folgte die Machbarkeitsuntersuchung. Gemeinsam mit NeuroCheck ging Aptar Pharma auf die Suche nach der geeigneten Automatisierungstechnik. Bedingung war: Die Bildverarbeitung und Maschinensteuerung muss auf einem PC ablaufen, um einen schnellen Austausch von Daten zu gewährleisten. Denn nur die offene PC-Technologie bietet die Möglichkeit, Daten zwischen der Steuerung und anderen Applikationen direkt, ohne externe Schnittstellen auszutauschen. Dies bedeutet aber auch, dass die komplette Maschinensteuerung mit PC-basierter Automatisierungstechnik realisiert werden muss. „Um Bildverarbeitung und Steuerung auf einem PC zu vereinen, benötigen wir einen IPC mit hoher Rechenleistung und einem Software-Controller, der schnell und sicher mit der Bildverarbeitung kommuniziert", erklärt Projektleiter Patrick Kohler. Dabei dürfen sich die beiden Anwendungen nicht gegenseitig in der Leistungsfähigkeit beeinträchtigen. Maschinensteuerung und Bildverarbeitung müssen daher auf einem Prozessor parallel, aber unabhängig voneinander ablaufen. Nachdem der Lösungsansatz präzisiert wurde, zog man das Unternehmen Desotec Sondermaschinenbau hinzu, das sich u.a. auf Produktionsmaschinen für Massenartikel in der Pharma-Industrie spezialisiert hat.

Ein IPC für Bildverarbeitung und Steuerung

Im nächsten Schritt wurden mehrere PC-basierte Automatisierungssysteme in Kombination mit der Bildverarbeitungssoftware getestet. Ein Problem war es, dass viele PC-basierte Steuerungen die Rechenleistung vorrangig beanspruchen, d.h., dass andere Applikationen untergeordnet sind und durch priorisierte Interrupts der Steuerung gestört werden. „Diese Interrupts führten dann in unseren Tests zu inakzeptablen Ausfällen in der Bildverarbeitung", so Dirk Zinnäcker von NeuroCheck. „Wir waren erleichtert, als wir mit dem Software-Controller Simatic WinAC von Siemens eine Lösung gefunden hatten." Der Software-Controller wird bei Mehrkernprozessoren exklusiv auf einem der Kerne ausgeführt und hat keinen Einfluss auf die anderen Windows-Anwendungen. Auf der anderen Seite ist der von ihm verwendete Kern für Windows unsichtbar. Dies gewährleistet einen zuverlässigen parallelen Betrieb von Bildverarbeitung und Software-Controller mit einem einzigen PC. Da die Bildverarbeitung eine hohe Rechenleistung benötigt, kam nur ein entsprechend leistungsstarker PC in Frage. Gerd Rammelsberger, Leiter der Elektrotechnik bei Desotec, trägt die Verantwortung für eine hohe Verfügbarkeit der Maschine. „Wir als Maschinenbauer müssen die Zuverlässigkeit und eine lange Lebensdauer der Maschine sicherstellen. Zusammen mit unserem Auftraggeber haben wir uns schließlich für einen Box-PC Simatic IPC627C mit Intel-Core-i7-Prozessor und 50 GByte großem Solid-State-Drive (SSD) entschieden. Das integrierte Laufwerk verfügt über schnellere Lese- und Schreibzyklen als herkömmliche Festplatten und ermöglicht das Speichern von eventuellen Fehlerbildern im laufenden Betrieb. Durch die PCIe-Steckplätze des Box-PC und eine entsprechende PCIe-Karte konnte die Kamera via Firewire-Schnittstelle angeschlossen werden.

Interaktive Konfiguration der Bildverarbeitung

Seit vielen Jahren setzt der Sondermaschinenbauer das Engineering-System Step7 für die Programmierung seiner Maschinensteuerungen ein. „Da der Software-Controller WinAC wie eine SPS mit Step7 programmiert wird, konnten wir sofort beginnen und mussten kein neues Know-how aufbauen", erläutert Gerd Rammelsberger. Für die Hochsprachen-Programmierung wurde das Siemens Application Center beauftragt. Dort wurde für die Kommunikation zwischen dem Software-Controller und der Bildverarbeitung eine frei konfigurierbare Schnittstelle für Signale, Messdaten und Zeichenketten realisiert. Die Bildverarbeitung NeuroCheck wird interaktiv konfiguriert, sodass die Prüfprogramme völlig ohne Programmierkenntnisse erstellt werden können.

Schnellere Zykluszeiten für Prüfung und Fertigung

Ging man anfangs noch von dem Ziel aus, den Durchsatz bei der Qualitätskontrolle von 120 auf bis zu 550 Teile pro Minute zu erhöhen, stellte sich bei den Testläufen heraus, dass man die Grenze des theoretisch Machbaren noch nicht erreicht hatte. Der Kommunikationstest ergab, dass die Zykluszeiten des Bildbearbeitungsprogramms 30 ms und auf der Steuerungsseite 25 bis 30 ms betragen, womit ein Durchsatz von 1.000 Einheiten pro Minute möglich wäre. Desotec schränkt diese Möglichkeit jedoch ein - Gerd Rammelsberger erläutert: „In der Praxis lässt sich der hohe Testdurchsatz nicht umsetzen, da wir vorher an die mechanischen Grenzen der Maschine stoßen. Dieser große Zeitpuffer stellt für uns aber eine Sicherheit für die Zukunft dar."

 

Kontakt

Siemens AG

Freyeslebenstr. 1
91058 Erlangen
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+ 49 9131 18 7002
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